Aufwandbestimmende Baukosten B in der SIA-Honorarformel

Lesedauer ca. 6 bis 7 Minuten. –


Dieser Blogbeitrag zu den aufwandbestimmenden Baukosten ist einer der am häufigsten aufgerufenen Texte in meinem Blog überhaupt. Aus diesem Grund habe ich die ursprüngliche, knappe Fallstudie zwischenzeitlich ergänzt mit grundsätzlichen Erläuterungen zum Thema. Aus dem Beitrag mit 3 Minuten Lesedauer ist ein Beitrag mit 6 bis 7 Minuten geworden.

Ich beginne den Beitrag im Teil A mit grundsätzlichen Informationen zu den aufwandbestimmenden Baukosten. Auf die konkrete Fallstudie komme ich später im Teil B zurück.

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A. Grundsätzliches zu den aufwandbestimmenden Baukosten

Zuerst führe ich aus, was unter dem Begriff zu verstehen ist.

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A1. Was die aufwandbestimmenden Baukosten sind

Die aufwandbestimmenden Baukosten sind ein Honorarfaktor in der üblichen Formel des SIA zur Berechnung der Planerhonorare, und zwar der Faktor B.

Die Honorarformel ist enthalten in den SIA-Honorarordnungen. Im Falle der Architektenleistungen geht es um die SIA-Honorarordnung 102 (Ausgabe 2014). Die Honorarberechnung ist beschrieben in Art. 7 «Honorarberechnung nach den aufwandbestimmenden Baukosten».

Die traditionelle Honorarberechnung des SIA ist seit Jahrzehnen bausummenabhängig. Der Faktor B der aufwandbestimmenden Baukosten sorgt dafür, dass sich das Honorar nach der Bausumme richtet.


Literaturhinweise
Eine ausführliche Beschreibung des SIA-Honorarwesens ist in meinem Buch «Bauplanerhonorare – Ratgeber für Bauherren (2017)» zu finden.
Nähere Informationen zum Buch hier >>>

Erläuterungen zu den aufwandbestimmenden Baukosten gibt es im Abschnitt «Faktor B: aufwandbestimmende Baukosten» auf den Seiten 56 und 57. Die meisten Aussagen sind aber nachfolgend als längere Zitate wiedergegeben.

Meine Methode zur Prüfung eines Planervertrags ist beschrieben im Blogbeitrag «Expertisen zu Honorarofferten».

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A2. Historisches

Wie oben bereits erwähnt, gibt es seit Jahrzehnten eine Honorarformel des SIA zur Ermittlung der Planerhonorare aus den Baukosten. Aber sie ist nicht immer gleich konzipiert gewesen.

Bis zum Jahr 2003 ist anhand der Formel aus der Bausumme direkt das Honorar ermittelt worden. Etwas vereinfacht hat man sagen können: Was kostet, gibt Honorar. Das Honorar hat man daher auch als Kostentarif bezeichnet.

Seit 2003 gibt es eine neue Art der Honorarermittlung: das Zeitaufwandmodell. Aufgrund einer Intervention der Wettbewerbsbehörden ist der Kostentarif verboten worden. Man hat ihn als illegale Preisabsprache des Bauplanungsgewerbes betrachtet, also als Kartell. Seither wird aus der Bausumme nur noch der mutmassliche Zeitaufwand für die Planung ermittelt, nicht aber mehr das Honorar.


Literaturhinweis
Eine Beschreibung des historischen Kostentarifs befindet sich in meinem oben genannten Buch «Bauplanerhonorare – Ratgeber für Bauherren (2017)» auf Seite 24 f.

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Nachtrag im Jahr 2020 (SIA-Honorarformel zurückgezogen) 
Aufgrund eines neuen Konflikts mit der Wettbewerbskommission des Bundes (WEKO) zieht der SIA per Anfang 2020 seine traditionelle Honorarformel zur bausummenabhängigen Honorarkalkulation zurück. Sie ist somit in der Ausgabe 2020 der Leistung- und Honorarordnungen (LHO) nicht mehr enthalten.
In der Praxis dürfte aber meistens die formell zurückgezogene LHO des Ausgabejahres 2014 angewendet werden, wo die Honorarformel noch aufgeführt ist.
Der Honorarfaktor B der aufwandbestimmenden Baukosten hat somit nicht mehr die gleiche Bedeutung wie früher. Er ist nur noch Teil einer Honorarformel, die zwar noch geduldet wird, aber nicht mehr als «offiziell» bezeichnet werden kann.

Näheres dazu siehe die nachfolgenden Blogbeiträge:
«Aktuelle Entwicklungen im SIA-Honorarwesen (bis 2019)»
«Vom Kampf um die Honorarformel im Bauplanungsgewerbe (ab 2020)» 
«Willkommen in einer Planerwelt ohne offizielle SIA-Honorarformel (Ende 2020)»

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A3. Grundsätze zur Ermittlung der aufwandbestimmenden Baukosten

Die nachfolgenden Ausführungen in diesem Abschnitt A3 stammen im Sinne eines längeren Zitats aus meinem Buch «Bauplanerhonorare – Ratgeber für Bauherren (2017)», Seite 56 f.

Die Regelungen zu den aufwandbestimmenden Baukosten finden sich in Art. 7.5 SIA 102 (2014). Aufwandbestimmend und somit massgebend für das Honorar sind in der Regel die eigentlichen Bauarbeiten, und zwar für Vorbereitung, Gebäude, Umgebung und Erschliessung. Massgebend sind die Kosten ohne Mehrwertsteuer, wodurch sich ein Honorarbetrag ebenfalls ohne Mehrwertsteuer ergibt.

Die Gebäudetechnik als Bestandteil des Gebäudes ist in der Regel für den Architekten aufwandbestimmend, auch wenn sie von den Gebäudetechnikplanern im Planerteam geplant wird. Dazu gehören Heizung, Kühlung, Lüftung etc. In Bürogebäuden kann auch die Basiserschliessung für die IT-Versorgung (physisches Netzwerk) aufwandbestimmend sein, sofern sie bereits im Rahmen des Bauprojekts durch die Bauherrschaft erstellt wird und nicht erst von späteren Mietern (Nutzern) eingebaut wird. – Nicht zu berücksichtigen für das Honorar sind das Grundstück, die Honorare selbst sowie die Baunebenkosten (Finanzierung, Gebühren etc.).

Massgebend sind die effektiv bezahlten Beträge gemäss Bauabrechnung nach Abzug eines möglichen Rabatts. Gemäss Art 7.5 Abs. 12 SIA 102 (2014) darf jedoch der Skonto nicht abgezogen werden, um die aufwandbestimmenden Baukosten zu ermitteln. Aus meiner Sicht ist es deshalb prüfenswert, ob das Honorar pauschal festgelegt werden kann (meistens auf der Basis des Kostenvoranschlags). So erspart man sich nämlich den Arbeitsgang, die Bauabrechnung noch um Skontobeträge und allfällige weitere Posten zu bereinigen, um zu den aufwandbestimmenden Baukosten und somit zum Honorar zu gelangen.

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A4. Einige Detailaspekte zu den aufwandbestimmenden Baukosten

Die nachfolgenden Ausführungen in diesem Abschnitt A4 stammen ebenfalls im Sinne eines längeren Zitats aus meinem Buch «Bauplanerhonorare – Ratgeber für Bauherren (2017)», Seite 57.

— Vorbereitungsarbeiten
Die Vorbereitungsarbeiten (Baugrubensicherung, Pfählung etc.) zählen in den meisten Fällen zu den aufwandbestimmenden Baukosten des Architekten. Unklarheiten können sich im seltenen Fall ergeben, dass der Bauingenieur bei den Vorbereitungsarbeiten Gesamtleiter ist, der Architekt dagegen bei den ganzen übrigen Bauarbeiten. Es ist denkbar, dass hier die Vorbereitungsarbeiten für den Architekten nicht aufwandbestimmend sind, da er nur am Rande mit ihnen zu tun hat.

— Katalogmobiliar
Nach Art 7.5 Abs. 14 SIA 102 (2014) sind Katalogmobiliar und
-ausstattung (Zubehör) ohne andere vertragliche Vereinbarung zu 50% aufwandbestimmend. Dieser Punkt ist zu klären. Was ist unter Katalogmobiliar zu verstehen (z.B. Büromöbel, Arbeits-platzleuchten etc.)? In welchem Umfang ist es aufwandbestimmend?

— Betriebseinrichtungen
Betriebseinrichtungen sind aufwandbestimmend, wenn sie den Charakter von Bauarbeiten haben (z.B. Spezialfundamente von Maschinen oder betriebsspezifische Medienversorgung). Es ist zu definieren, welche Betriebseinrichtungen nicht Bestandteil des Gebäudes sind (sondern zum Beispiel Fabrikeinrichtungen).

— Umgebungsarbeiten
Umgebungsarbeiten sind in der Regel für den Architekten auf-wandbestimmend. Fragen können auftauchen, wenn für die Planung der Umgebung ein Landschaftsarchitekt beigezogen wird. Ist sie auch dann noch für den Architekten im gesamten Umfang aufwandbestimmend? Im Normalfall dürfte dies zutreffen.

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A5. Aufwandbestimmende Gesamtbaukosten

Bei Bauvorhaben mit mehreren Teilprojekten stellen sich Fragen in Bezug auf die aufwandbestimmenden Kosten.

Der Grundsatz lautet hier, dass die gesamte Bausumme massgebend ist für die Ermittlung des Faktors p (Grundfaktor für den Stundenaufwand), und nicht die Bausummen der jeweiligen Teilprojekte. Das Honorar richtet sich somit nach den «aufwandbestimmenden Gesamtbaukosten».

Ein Beispiel dafür ist zu finden im Blogbeitrag «Honorarfragen bei mehreren Teilprojekten».

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B. Eine konkrete Fallstudie

Nach diesen einführenden Betrachtungen zu den aufwandbestimmenden Baukosten kommen wir zur Fallstudie, welche ursprünglich im Zentrum des Blogbeitrags gestanden hat.

Es geht um die Überprüfung eines Architektenhonorars, das nach der üblichen Honorarberechnung nach SIA ermittelt wird (Art. 7 SIA-Honorarordnung 102). Dabei stosse ich auf den seltenen Fall, dass die aufwandbestimmenden Baukosten B krass falsch berechnet sind.

Grobe Fehler sind aufgrund meiner Erfahrungen bei der Berechnung der aufwandbestimmenden Baukosten selten. Meinungsverschiedenheiten über Details kann es aber immer wieder geben. Dafür verantwortlich sind die Berechnungsregeln gemäss SIA-Honorarordnung 102, die teilweise etwas kleinlich sind. Nach Art. 7.5 Abs. 2 SIA 102 (2014) soll beispielsweise der Skonto nicht abgezogen werden, um die aufwandbestimmenden Baukosten B zu ermitteln.

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B1. Gründe für die falsche Berechnung

Im oben angesprochenen Fall geschieht der Hauptfehler der falschen Berechnung der aufwandbestimmenden Baukosten B bei den Gebäudekosten BKP 2, die im konkreten Fall anhand einer kubischen Berechnung ermittelt werden. Bei den Kubikmeterpreisen sind die Honorare nämlich eingeschlossen, was für einen Aussenstehenden aber nicht auf Anhieb ersichtlich ist (die entsprechenden Beträge sind von mir in die Tabelle unten eingefügt worden). Im Hinblick auf die Ermittlung der aufwandbestimmenden Baukosten B müssen die Honorare abgezogen werden. In der Honorarofferte werden aber fälschlicherweise die ganzen Gebäudekosten (also einschliesslich der Honorare) als aufwandbestimmend betrachtet.

Einen weiteren groben Fehler gibt es bei den Baunebenkosten (BKP 5). Obwohl sie ebenfalls ganz klar nicht aufwandbestimmend sind, werden sie im konkreten Fall fälschlicherweise so betrachtet.

Die gelbe Spalte (links) enthält die zu hohen (falsch berechneten) Werte für die aufwandbestimmenden Baukosten, die blaue Spalte (rechts) die bereinigten, korrekten Werte.

Aufgrund dieser beiden Korrekturen (Honorare und Baunebenkosten) reduziert sich die Summe der aufwandbestimmenden Baukosten von 763’000 Fr. auf 448’000 Fr.

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Tabelle zur Ermittlung der aufwandsbestimmenden Baukosten B

11-3-2018_aufwandbest_baukosten_1

Erläuterungen:

  • Links ist die ursprüngliche Variante 1 (gelb) mit falscher Berechnung der aufwandbestimmenden Baukosten.
  • Rechts ist die von mir korrigierte Variante 2 (blau). Entfernt aus der Summe der aufwandbestimmenden Baukosten sind die Honorare sowie die Baunebenkosten (BKP 5), beide in roter Schrift angegeben.

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B2. Auswirkungen der falschen Berechnung auf die Höhe des Honorars

Die Auswirkungen der falsch berechneten aufwandbestimmenden Baukosten B auf das Architektenhonorar sind erheblich. Siehe dazu die nachfolgende Tabelle.

11-3-2018_aufwandbest_baukosten_2

Für die Ermittlung des Honorars werden bei den Honorarfaktoren (n, q, r, i, s und h) Werte eingesetzt, beispielsweise 120 Fr. für den angebotenen Stundenansatz h.

Bei der falschen Berechnung mit den zu hohen aufwandbestimmenden Baukosten (Variante 1; gelb) ergibt sich ein Honorar von 138’400 Fr., während bei der richtigen Berechnung (Variante 2; blau) 108’400 Fr. resultieren.

Das falsch berechnete Honorar ist also 28% höher als das richtig berechnete.

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Textgeschichte
4. Februar 2020
Text erheblich ausgeweitet; Teil A neu hinzugefügt

27. November 2020
Nachtrag im Abschnitt A2 eingefügt (SIA-Honorarformel per 2020 zurückgezogen)

12. Mai 2023
Titel des Blogbeitrags leicht abgeändert

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Dieser Blog enthält Dutzende von Fachbeiträgen, die sich primär an Bauherrschaften richten. Sie sind gegliedert nach Sachgebieten. Die beiden wichtigsten Themenbereiche sind «Honorarfragen» und «Bauen mit einem Architekten». Benutzen Sie das Menu, um zu der Fragenkategorie zu gelangen, die Sie besonders interessiert. – Hans Röthlisberger, Bauherrenberater, Gwatt (Thun) / Schweiz


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