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Der Bauherr kann sich beim GU-Modell diverse Sicherheiten ausbedingen, die seine Risiken reduzieren. Dazu gehören etwa Sicherheitsleistungen beim Bauhandwerkerpfandrecht oder bei der Gewährleistung («Garantieschein»). Siehe dazu auch den Blogbeitrag «Prüfung GU-Vertrag für ein Einfamilienhaus (Typenhaus)».
Aber braucht es diese Sicherheiten für den kleinen Bauherrn überhaupt? Zeigen nicht alle Erfahrungen, dass man sehr selten darauf zurückgreifen muss?
Die Erfahrung zeigt tatsächlich, dass dies zutrifft. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass man diese baubezogenen Schutzinstrumente nie braucht. Ich beispielsweise habe in meiner langen Karriere im Bauwesen noch nie eine Solidarbürgschaft (umgangssprachlich «Garantieschein») als Sicherheitsleistung für die Gewährleistungsgarantie eines Werkunternehmers beanspruchen müssen.
Trotzdem sollten Sicherheitsinstrumente vereinbart werden.
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Konzentrierte Risiken vermeiden
Sicherheiten sind aus meiner Sicht bevorzugt dazu da, um eine gefährliche Ballung von Risiken zu überstehen. Dies kann etwa bei einer Immobilienkrise der Fall sein.
Fragen wir uns zuerst, wie eine Immobilienkrise abläuft. Früher oder später wird der heutige Immobilienboom zu Ende gehen. Wer schon einmal erlebt hat, wie die Baukonjunktur kippt, der weiss, dass das schnell gehen kann und brutale Auswirkungen hat. Die Verzögerung ist vergleichbar mit dem Effekt, wenn jemand in einem Schnellzug die Notbremse zieht. In kürzester Zeit steht der Zug still, Kinder kreischen, Koffer machen sich selbständig, die Bremsen glühen, Passagiere verlieren ihren Halt. Ich habe einen ersten Immobiliencrash 1974/75 mitgemacht (Erdölkrise), und später ab etwa 1991 noch einen zweiten: In beiden Krisen ist die Abbremsung sehr schnell gegangen.
Ein Immobiliencrash hat mannigfaltige Auswirkungen auf die Wirtschaft: Die Jobs sind nicht mehr so sicher und wahrscheinlich werden einzelne Beschäftigte sogar arbeitslos, die Immobilien verlieren an Wert, und es gibt Konkurse, speziell im Bausektor.
Es ist nicht auszuschliessen, dass ein Bauherr, den es speziell ungünstig trifft, von allen diesen Problemen gleichzeitig heimgesucht wird: Er verliert seine Stelle, neu gebaute Häuser verlieren an Wert (auch seines), und nun bekommt er auch noch beim Bauprozess seines Hauses Probleme. Dann ist er froh, wenn er wenigstens bei einigen baubedingten Risiken abgesichert ist, weil es für ihn sonst plötzlich existentiell werden könnte.
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Grossrisiken beim Generalunternehmermodell
Für den Bauherrn wird es beim GU-Modell vor allem dann finanziell gefährlich, wenn der Generalunternehmer konkurs geht. Die Gefahr zeigt sich in zwei Erscheinungsformen:
Hauptgefahr 1:
Doppelzahlungen aufgrund Bauhandwerkerpfandrecht
Wenn der zahlungsunfähige Generalunternehmer seine Subunternehmer nicht vollständig bezahlt hat, haben diese das Recht, ihr Bauhandwerkerpfandrecht anzumelden. Wenn der Bauherr keine Sicherheiten vereinbart hat, muss er für die ausstehen Zahlungen aufkommen, was zu Doppelzahlungen führen kann.
Anders ist es jedoch, wenn er über ein Sicherheitsinstrument verfügt, etwa in der Form einer Ausführungsgarantie einer Bank, welche das Bauhandwerkerpfandrecht einschliesst. Nun kann er sich an den Garantiegeber halten. Dieser muss für die finanziellen Folgen der eingetragenen Bauhandwerkerpfandrechte aufkommen.
Siehe dazu auch den Beitrag «Die Erfüllungsgarantie als ideale Sicherheit beim Bauhandwerkerpfandrecht».
Hauptgefahr 2:
Baumängel werden nicht behoben
Der Konkurs des Generalunternehmers kann auch zur Folge haben, dass Baumängel nicht behoben werden. Dies ist vor allem dann ein Problem, wenn sie eine gewisse Tragweite haben. Im Konkursfall gibt es gar keinen Werkunternehmer mehr, an den der Bauherr sich halten kann, sofern die Mängelrechte gegenüber den Subunternehmern nicht vorgängig an ihn abgetreten worden sind. Aber auch abgetretene Mängelrechte sind unter Umständen nicht so hilfreich, speziell dann nicht, wenn bei einem grossen Baumangel unklar ist, welcher Handwerker (Subunternehmer) überhaupt dafür verantwortlich ist.
Die Situation für den unter Baumängeln leidenden Bauherrn ist deutlich besser, wenn er vom Generalunternehmer einen «Garantieschein» für das Werk als Ganzes erhalten hat (meistens in Form einer Solidarbürgschaft einer Versicherung). Nun kann er sich an die garantiegebende Versicherung halten, welche bis zur Höhe der vereinbarten Garantiesumme für die Mängel aufkommen muss.
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Fazit
Sicherheiten haben bei grossen institutionellen Bauherren und bei kleinen Einfamilienhaus-Bauherren einen etwas anderen Stellenwert. Grosse Bauherren vermeiden oft Risiken aller Art, weil ungeplante Ausgaben die Rendite schmälern. Die Rendite einer Investition ist ohne Sicherheiten weniger gut kalkulierbar.
Beim kleinen Bauherrn jedoch geht es nicht um die Rendite, hier geht es unter Umständen um die Existenz. Das Vereinbaren von Sicherheiten reduziert die Wahrscheinlichkeit, in eine existenzielle Krise zu geraten.
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Literaturhinweis
Eine ausführliche Beschreibung des Generalunternehmerwesens befindet sich in meinem Buch «Mit wem baue ich? – Bauausführung aus Bauherrensicht (2013)».
Dem Generalunternehmermodell ist der ganze Teil 3 des Buches (Kapitel 7 bis 11) gewidmet.
Nähere Informationen zum Buch befinden sich hier >>>
Über das Thema, das in diesem Blogbeitrag aufgegriffen wird, geht es im Kapitel 9 des Buches: «Bewirtschaftung der Risiken». Dieses ganze Kapitel ist als umfangreiche Leseprobe verfügbar, und zwar hier >>>
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Textgeschichte
10. Januar 2020: Feinoptimierung des Textes; ohne inhaltliche Änderung
12. Mai 2023: Titel des Blogbeitrags leicht angepasst
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Dieser Blog enthält Dutzende von Fachbeiträgen, die sich primär an Bauherrschaften richten. Sie sind gegliedert nach Sachgebieten. Die beiden wichtigsten Themenbereiche sind «Honorarfragen» und «Bauen mit einem Architekten». Benutzen Sie das Menu, um zu der Fragenkategorie zu gelangen, die Sie besonders interessiert. – Hans Röthlisberger, Bauherrenberater, Gwatt (Thun) / Schweiz