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Es geht um den aktuellen Mustervertrag des SIA für Planerleistungen (SIA 1001/1; Planer-/Bauleitungsvertrag; Ausgabe 2014). Hier können in Artikel 8.2 Vereinbarungen zur Haftung des Beauftragten getroffen werden. Für den Umfang der Haftung gibt es drei Wahlmöglichkeiten: sie reichen von einer unbeschränkten Haftung bis zu einer Haftung im Umfang der Versicherungsdeckung. Welche Möglichkeit soll gewählt werden?
Ich zitiere nachfolgend den bereits erwähnten Artikel 8.2:
8.2 Haftung des Beauftragten
Der Beauftragte haftet für mit leichter Fahrlässigkeit begangene Vertragsverletzungen bei gegebenen übrigen Voraussetzungen:
O höchsten im Umfang der Versicherungsdeckung
O höchstens im Umfang des Betrages von CHF:
O in der Höhe unbeschränkt
Häufig stelle ich in der Praxis nun fest, dass der Architekt im Vertragsentwurf die Variante der beschränkten Haftung im Umfang der Versicherungsdeckung wählt. Mir gefällt das nicht.
Im Rahmen einer Expertise zu Planerverträgen rate ich meinen Kunden immer davon ab, einer beschränkten Haftung zuzustimmen. Aus meiner Sicht soll eine unbeschränkte Haftung angestrebt werden. Es ist bekanntlich nie auszuschliessen, dass beim Bauen Unfälle mit grossen Schäden passieren können. Bauen ist gefährlich.
Nehmen wir an, im Rahmen von ganz gewöhnlichen Bauarbeiten an einem Steildach (von Zimmermann, Dachdecker oder Spengler) passiert ein Unfall und ein Bauarbeiter wird mit bleibenden gesundheitlichen Schäden schwer verletzt. Die Bauleitung trifft eine Schuld, weil sie nicht für genügende Sicherheitsmassnahmen gesorgt hat.
Was passiert nun, wenn die Versicherungsdeckung der Bauleitung (also des Architekturbüros) nicht ausreicht, um für den Schaden aufzukommen, den die Bauleitung tragen muss? Wird dann die Bauherrschaft zur Kasse gebeten? Und was passiert beispielsweise, wenn die Bauleitung gar keine Versicherung hat? Weil sie die Betriebshaftpflichtversicherung gekündigt hat, oder weil sie die Prämie nicht bezahlt hat?
Ich kann alle diese Fragen nicht beantworten. Ich bin weder Jurist noch Versicherungsfachmann. Aber ich sehe gewisse Gefahren für die Bauherrschaft.
Bauen ist für die Bauherrschaft schon riskant genug. Es kann nicht sein, dass sie noch für Risiken aufkommen muss, die sie nicht einmal kennt und deren finanzielle Tragweite sie nicht überblicken kann. Die Haftung des Beauftragen soll daher in der Höhe unbeschränkt sein.
Literaturhinweis
Eine ausführliche Beschreibung des SIA-Honorarwesens ist in meinem Buch «Bauplanerhonorare – Ratgeber für Bauherren (2017)» zu finden.
Nähere Informationen zum Buch hier >>>
Die Allgemeinen Vertragsbedingungen zum Planervertrag, zu denen auch die in diesem Blogbeitrag erwähnte Haftung des Beauftragten gehört, werden im Kapitel 7 besprochen.
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Dieser Blog enthält Dutzende von Fachbeiträgen, die sich primär an Bauherrschaften richten. Sie sind gegliedert nach Sachgebieten. Die beiden wichtigsten Themenbereiche sind «Honorarfragen» und «Bauen mit einem Architekten». Benutzen Sie das Menu, um zu der Fragenkategorie zu gelangen, die Sie besonders interessiert. – Hans Röthlisberger, Bauherrenberater, Gwatt (Thun) / Schweiz