Buchautor Hans Röthlisberger zitiert in Bundesgerichtsfall 

Lesedauer ca. 10 Minuten. –


Letzthin habe ich zufällig herausgefunden, dass mein Buch «Mit wem baue ich? – Bauausführung aus Bauherrensicht» in einem Bundesgerichtsfall zitiert worden ist.

Es geht um einen Streitfall im Umfeld der Bauwirtschaft. Der Prozess dauert rund zwanzig Jahre und gelangt bis ans Bundesgericht. Zuerst verzichten die zuständigen Gerichtsinstanzen darauf, externe Experten beizuziehen. Erst achtzehn Jahre nach Prozessbeginn wird auf Initiative des Bundesgerichts ein Gutachter beauftragt. Er bekommt die Aufgabe, die kommerziellen (also nicht-juristischen) Gesichtspunkte des umstrittenen Geschäfts zu überprüfen. Zu diesem Zweck verwendet er auch mein Buch «Mit wem baue ich? – Bauausführung aus Bauherrensicht» und zitiert daraus.

Literaturhinweis

Nähere Informationen zu meinem Buch «Mit wem baue ich? – Bauausführung aus Bauherrensicht (2013)» befinden sich hier >>>

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Meine Ausführungen in diesem Blogbeitrag gliedere ich in die folgenden vier Kapitel:

1. Das Wichtigste zum Streit
2. Kurze Prozessgeschichte
3. Aus dem Gerichtsurteil mit den Zitaten aus meinem Buch
4. Vom wundersamen Zitieren meines Buches in einem Bundesgerichtsfall

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1. Das Wichtigste zum Streit

Es geht um den Bau einer Wohnüberbauung. Drei Geschäftsleute bilden 1993 ein Konsortium, um das Bauvorhaben zusammen zu realisieren. Sie haben die Absicht, ein Grundstück erwerben und dieses zu überbauen. Sie gedenken, die Liegenschaft nach Fertigstellung mit Gewinn zu verkaufen und den Erlös gleichmässig unter sich aufzuteilen. Einer der Konsortialpartner will als Generalunternehmer auftreten. Dabei wird vereinbart, die Leistungen seiner Subunternehmer offen abzurechnen. Das Generalunternehmerhonorar solle 4 Prozent betragen.

Das Geschäft entwickelt sich anders als geplant. Es wird zwar ein Käufer gefunden, der die Überbauung erwerben will. Dieser kauft das Grundstück aber direkt von der Erbengemeinschaft, und nicht, wie ursprünglich geplant, vom Konsortium. Mit dem Generalunternehmer schliesst er einen GU-Vertrag ab für die schlüsselfertige Ausführung der Wohnüberbauung zu einem Werkpreis von 20 Mio. Fr.

Nun kommt es zum Streit zwischen den drei Geschäftsleuten. Der Generalunternehmer stellt sich auf den Standpunkt, dass der Gesellschaftsvertrag hinfällig sei und der erzielte Gewinn in der Grössenordnung von 2 Millionen nur ihm zustehe. Die beiden anderen Gesellschafter hingegen verlangen eine Beteiligung am Konsortialgewinn. In diesem Zusammenhang ist auch zu klären, wie die Leistungen des Generalunternehmers abzugelten sind (Höhe des GU-Honorars).

Als juristische Laien stellen wir fest, dass es beim Streit um zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Fragen geht. Beim ersten Sachgebiet geht es um Juristisches im engeren Sinne. Dazu gehört insbesondere die Frage, ob es beim konkreten Verlauf des Projekts immer noch einen Konsortialvertrag gibt oder ob dieser hinfällig geworden sei. – Beim zweiten Sachgebiet jedoch geht es primär um kommerzielle, nicht um juristische Aspekte. Konkret sind etwa Fragen zum GU-Honorar zu klären. Da das Gericht auf diesem Gebiet selber nicht sachkundig ist, braucht es dazu einen externen Gutachter.

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2. Kurze Prozessgeschichte

Angesichts der Länge des Prozesses von rund 20 Jahren unterteile ich ihn in vier Phasen. Die Unterteilung stammt aber ausdrücklich von mir, und auch die Bezeichnungen der Phasen sind von mir gewählt.

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Phase A:
Von der Klageeinreichung bis zum Urteil der ersten Instanz (Bezirksgericht)
Mai 1999 bis September 2004

Die Klage der beiden Gesellschafter, welche die Herausgabe ihrer Gewinnanteile verlangen, wird im Mai 1999 beim Bezirksgericht eingereicht. Dieses weist die Klage ab, gut fünf Jahre nach Prozessbeginn. Gemäss Urteil erhalten die Kläger also keinen Anteil am Gewinn.

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Phase B:
Die Kläger erwirken die Erstellung einer Abrechnung
September 2004 bis März 2012

Die Kläger reichen Berufung ein gegen das Urteil der ersten Instanz und dieses wird aufgehoben. Aber der Beklagte, also der Generalunternehmer, wehrt sich weiterhin mit allen juristischen Mitteln dagegen, eine Abrechnung erstellen zu müssen. Als juristischem Laien ist mir nicht klar, warum die Rekursinstanz des Bezirksgerichts mehrmals einbezogen wird.

Am Schluss der Phase B wenden sich die Kläger erstmals an das Bundesgericht, welches verfügt, dass der Beklagte eine Abrechnung einzureichen habe. Nun liegt der Ball wieder beim Bezirksgericht. Allein in der Phase B sind seither aber weitere siebeneinhalb Jahre ins Land gegangen.

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Phase C:
Über die Abrechnung wird gestritten, aber noch ohne Gutachten
März 2012 bis Juli 2016

Im September 2012 reicht der beklagte Generalunternehmer endlich eine Abrechnung ein, über dreizehn Jahre nach Prozessbeginn. Diese ist (natürlich) zu seinen Gunsten abgefasst. Einer der zentralen Streitpunkte ist die Höhe des Generalunternehmerhonorars. Obwohl im Gesellschaftsvertrag von 1993 explizit ein Ansatz von 4 Prozent genannt wird, spricht der Beklagte nun von einem Totalunternehmerhonorar, das 9 Prozent betrage.

Auf der Basis der vorliegenden Abrechnung fällt das Bezirksgericht im November 2014 ein Urteil, mit dem die Kläger nicht einverstanden sind, denn aus ihrer Sicht wird der Generalunternehmer zu stark begünstigt.

Man gelangt ein zweites Mal an das Bundesgericht, welches im Juli 2016 die Beschwerde der Kläger teilweise gutheisst.

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Phase D:
Ein Gutachter wird beigezogen und der Prozess abgeschlossen
Juli 2016 bis August 2019

Aufgrund des oben genannten Bundesgerichtsentscheides von Juli 2016 wird im Januar 2017 beschlossen, zum Thema des umstrittenen GU-Honorars ein Gutachten einzuholen.

Der Sachverständige stellt bei seiner Expertise zu den Fragen zum GU-Geschäft vor allem auf seine eigene Erfahrung ab. Bemerkenswert ist aus meiner Sicht aber, dass er auch mein Buch «Mit wem baue ich? – Bauausführung aus Bauherrensicht» zitiert. Es ist das einzige Sachbuch eines Nichtjuristen, das der Experte aufführt.

Das Gutachten wird vom beklagten Generalunternehmer bestritten, die Beschwerde vom Bundesgericht am 29. August 2019 aber abgewiesen.

Die beiden klagenden Gesellschafter erhalten je einen Anteil am Konsortialgewinn von etwa 700’000 Fr.

Nach rund 20 Jahren ist der Prozess zu Ende.

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3. Aus dem Gerichtsurteil mit den Zitaten aus meinem Buch

In diesem Abschnitt gehe ich näher auf das Urteil des Obergerichts von 2018 ein, in dem mein Buch zweimal zitiert wird.

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Das betrachtete Urteil

Im Gerichtsfall dieses Blogbeitrags gibt es eine ganze Reihe von Urteilen. Wir finden Urteile des Bezirksgerichts aus den Jahren 2004, 2010, 2011 und 2014 sowie Urteile des Obergerichts von 2012, 2015 und 2018. Dazu kommen drei Urteile des Bundesgerichts aus den Jahren 2012, 2016 und 2019. Wir erinnern uns daran, dass der ganze Prozess rund 20 Jahre gedauert hat.

Aus dieser Mannigfaltigkeit an Urteilen konzentrieren wir uns auf ein einziges, und zwar das letzte Urteil des Obergerichts aus dem Jahr 2018. Hier werden alle wesentlichen Gesichtspunkte abgehandelt. Es gibt zwar noch ein späteres Urteil, nämlich das Bundegerichtsurteil von 2019. Es ist nötig, weil der Beklagte gegen das oben genannte Obergerichtsurteil von 2018 Beschwerde einreicht. Diese wird jedoch abgewiesen. Wesentliche neue Gesichtspunkte tauchen nicht mehr auf.

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Wie man das Obergerichtsurteil von 2018 findet

Hier lege ich in allen Einzelheiten dar, wie man das Obergerichtsurteil findet.

— Schritt 1:
auf die Homepage der Gerichts des Kantons Zürich gehen: www. gerichte-zh.ch


— Schritt 2:
dort «Entscheide» anklicken, und auf der nächsten Seite «Entscheide suchen»


— Schritt 3:
in Feld «Entscheide suchen» folgenden Text eingeben: LB160045

wenn man alles richtig gemacht hat, erscheint folgendes Resultat

Es wurden insgesamt 1 Entscheide gefunden.
Forderung
07.12.2018 | LB160045 | Obergericht des Kantons Zürich | I. Zivilkammer

das Resultat ist in Form eines PDF-Dokuments verfügbar

es empfiehlt sich, das Dokument herunterzuladen;
die Navigation und das Suchen von Textstellen wird dadurch einfacher

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Ein Blick in das Urteil

Für einen Nicht-Juristen wie mich ist es nicht einfach, sich im Urteil zurechtzufinden. Die nachfolgenden Erläuterungen sind daher betont laienhaft gehalten.

Das Urteil besteht aus drei Hauptteilen: einem Einführungsteil, einem Schlussteil und dazwischen den sogenannten Erwägungen. Im Einführungsteilsteil geht es um den administrativen Rahmen und die juristische Ausgangslage (beteiligte Richter, Kläger und Beklagter, Urteil der Vorinstanz, Berufungsanträge etc.). Im Schlussteil folgt das eigentliche Urteil.

Den weitaus grössten Teil des Gerichtsurteils machen die so genannten Erwägung aus, nämlich über 73 Seiten von total 81. Doch was sind überhaupt Erwägungen? Ich halte mich dabei an das «Juristische Wörterbuch für kaufmännische Mitarbeitende» im Kanton Zürich.

Quelle:
Juristisches Wörterbuch für kaufmännische Mitarbeitende
(LI / A2100-01 / cl / 28.02.2011)

Hinweis: In diesem Wörterbuch wird von den Verhältnissen an den Gerichten im Kanton Zürich ausgegangen. Die einzelnen Wörter werden lediglich auf ihre Bedeutung im Gerichtsalltag hin erklärt.

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Gemäss dem oben genannten juristischen Wörterbuch ist unter den Erwägungen folgendes zu verstehen:

Begründung des Gerichtsentscheides, bzw. die Überlegungen, welche zum Entscheid führen.

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Gliederung der Erwägungen

Die Erwägungen sind in fünf Teile gegliedert von I bis V (römisch eins bis römisch fünf). Die Teile enthalten keine Kapitelüberschriften und sind teilweise bis 50 Seiten lang. Für Nichtfachleute ist es schwierig bis unmöglich, die Logik hinter der Gliederung zu erkennen. Als absoluter Laie im Rechtswesen stelle ich nachfolgend Vermutungen an über den Inhalt der fünf Teile:

I.
Geschichtliches zum Prozess


II.
Rechentechnische Aspekte zur Berechnung der Gewinnanteile


III.
Betrachtungen zum GU-Honorar


IV.
Betrachtungen zum Gutachten


V.
Gerichtskosten etc.

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Erstes Zitat meines Buches

Das erste Zitat meines Buches «Mit wem baue ich? – Bauausführung aus Bauherrensicht» befindet sich auf Seite 14 (Teil III).

Das Honorar des Generalunternehmers setze sich kalkulatorisch typischerweise aus zwei Teilen zusammen: Aus der Risikoentschädigung für das unternehmerische Wagnis und dem Honorar für das Baumanagement. Diese Komponenten würden in den Verträgen aber nicht einzeln ausgewiesen, sondern man pflege sie unter der Bezeichnung „Generalunternehmer-Honorar“ zu einem gemeinsamen Prozentsatz zusammenzufassen (Urk. 252 S. 7 mit Verweis auf Röthlisberger, «Mit wem baue ich?», Das Praxisbuch zur Bauausführung, Gwatt [Thun] 2013). Die Risikoentschädigung des Generalunternehmers hänge mit der Art und Grösse des Projekts zusammen. Bei kleineren Projekten sei die Risikoentschädigung in der Regel prozentual höher als bei grösseren Projekten. Ebenso würden einfachere standardisierte Projekte einen niedrigeren Risikozuschlag aufweisen als komplexere Projekte wie beispielsweise Sanierungen (Urk. 252 S. 9 f.).

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Zweites Zitat meines Buches

Das zweite Zitat meines Buches «Mit wem baue ich? – Bauausführung aus Bauherrensicht» befindet sich auf Seite 60 (Teil IV).

Aufgrund der offenen Abrechnung sind vorliegend die Aufwendungen der F._____ AG für die Bauleitung von Fr. 750’243.– als Eigenleistung in die honorarberechtigte Bausumme eingeflossen. Dies macht 4.64% der honorarberechtigten Bausumme aus. Weitere 4% stehen der F._____ AG als GU-Honorar zu, was bereits ein Honorar von 8.64% der honorarberechtigten Bausumme ergibt. Weitere 5% fordert der Beklagte als Zuschlag für die erhöhten Risiken, was insgesamt 13.64% der honorarberechtigten Bausumme ergäbe. Dem gilt es Rechnung zu tragen, wenn der Beklagte einwendet, „[g]emäss dem auch vom Bundesgericht zitierten Anton Egli […] belief sich der GU-TU-Zuschlag auf den Honoraren und Werklöhnen anfangs der 1990er-Jahre auf 3-7%, wobei diese Werte – auch im Lichte der heute üblichen Werte von 12% und mehr – zu tief bemessen sind“ (Urk. 297 S. 19). Werte von 12% werden vom Beklagten auch nicht belegt. Aus dem vom Gutachter zitierten Werk von Hans Röthlisberger, das aus dem Jahre 2013 stammt (Urk. 252 S. 7 Fn 6), könnte der Beklagte jedenfalls nichts zu seinen Gunsten ableiten. Darin wird für ein standarisiertes Projekt von Fr. 20’000’000.– das Baumanagementhonorar des GU auf 2.1% und die Risikoentschädigung des GU auf 2.6% veranschlagt und ausgeführt, die minimale Risikoprämie dürfte bei grösseren, eher standarisierten Projekten in der Grössenordnung von etwa 2% liegen; bei kleineren, risikobehafteteren Projekten könne sich auch auf 5% und mehr ansteigen (Röthlisberger, a.a.O., S. 312 ff.).

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4. Vom wundersamen Zitieren meines Buches in einem Bundesgerichtsfall

Es ist erstaunlich, dass ein Gerichtsgutachter, den ich nicht kenne, in einem Obergerichtsurteil als einziges baufachliches Werk ausgerechnet mein Buch zitiert.

Man könnte erwarten, dass er sich beispielsweise auf das Fachbuch eines Professors für Bauausführung bezieht. Aber nichts dergleichen. Der Experte mit umfassenden Branchenkenntnissen zieht mein Buch heran, das im Selbstverlag erschienen ist, in keinem Buchversand gelistet ist (auch bei Amazon nicht), nur bei mir bezogen werden kann, und in keiner Bibliothek verfügbar ist.

Da kann man nur sagen: Die Schweizerische Rechtspflege, einschliesslich ihrer Gutachter, scheint eine gute Nase für Qualität bei Sachbüchern zu haben – schon fast detektivischen Spürsinn.

Der Einfluss meines Buches auf den Prozessausgang soll damit aber keineswegs überbewertet werden. Es ist nur ein winziger Puzzlestein.

Für mich hat das Zitiertwerden aber durchaus positive Auswirkungen. Für ein bekanntes schweizerisches Finanzinstitut ist es ein Gütekriterium. Es ist der Auslöser, um mich für eine Beratung auf dem Gebiet des Bauwesens zu beauftragen.

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Dieser Blog enthält Dutzende von Fachbeiträgen, die sich primär an Bauherrschaften richten. Sie sind gegliedert nach Sachgebieten. Die beiden wichtigsten Themenbereiche sind «Honorarfragen» und «Bauen mit einem Architekten». Benutzen Sie das Menu, um zu der Fragenkategorie zu gelangen, die Sie besonders interessiert. – Hans Röthlisberger, Bauherrenberater, Gwatt (Thun) / Schweiz


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