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Leseprobe A:
«Der SIA als Schöpfer der Normenwelt»
In der Schweiz kümmert sich der Schweizerische Ingenieur- und Architekten-Verein (SIA) um die Schaffung von Normen aller Art im Baubereich. Ein wichtiger Teil davon betrifft Planerverträge einschliesslich Honorarfragen. Aufgrund ihrer herausragenden Stellung in der Normenlandschaft haben diese speziellen Normen auch einen besonderen Namen: Sie werden als Ordnungen bezeichnet. Konkret geht es dabei um Ordnungen für Leistungen und Honorare der verschiedenen Bauplanungsdisziplinen, beispielsweise der Architekten. Ein privater Verein stellt also die Hilfsmittel bereit, um Planerverträge abschliessen und die Honorare kalkulieren zu können.
Bereits im neunzehnten Jahrhundert sind erste Regelungen entstanden. Die erste Norm des SIA überhaupt hat das Honorarwesen betroffen. Die Honorarordnungen haben in der Schweiz also eine lange Tradition.
Die Honorare im Bauplanungsgewerbe sind in gesamtwirtschaftlicher Hinsicht nicht zu unterschätzen. Das jährliche Hochbauvolumen in der Schweiz beträgt über 40 Mia. Fr. Das entsprechende Honorarvolumen dürfte somit in der Grössenordnung von vielleicht 5 Mia. Fr. liegen, was beispielsweise höher wäre als das jährliche Budget der Schweizer Armee.
Da der SIA ein privater Verein (Berufsverband) ist, haben seine Honorarordnungen natürlich keine Rechtskraft. Sie stellen unverbindliche Empfehlungen dar, die angewendet werden können, aber nicht müssen.
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SIA als (guter) Monopolist in Leistungs- und Honorarfragen
Theoretisch wäre es möglich, dass konkurrierende Berufsverbände je eigene Honorarordnungen publizieren würden. Dies trifft jedoch nicht zu. Das Honorarwesen wird eindeutig vom SIA geprägt. Es dürfte weltweit ziemlich einzigartig sein, dass ein einziger Verband die meisten Disziplinen abdeckt. Dazu gehören nicht nur die Tätigkeit der Architekten, sondern auch diejenige der Bauingenieure und anderer Fachplaner. Diese einheitliche Strukturierung vereinfacht zweifellos das Vertrags- und Honorarwesen in der Bauplanung.
Es ist aber zu beachten, dass die monopolartige Stellung des SIA nur das Honorarwesen an und für sich betrifft, nicht aber die dazugehörenden Planerverträge. Neben dem (breit angewendeten) SIA-Mustervertrag 1001/1 (Kapitel 8) gibt es nämlich noch andere Musterverträge (zum Beispiel den Mustervertrag der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren KBOB).
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Obligationenrecht als juristische Grundlage
Rein rechtlich würde man keineswegs im luftleeren Raum schweben, wenn man die SIA-Honorarordnungen nicht als Vertragsgrundlage verwenden könnte. Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, also der Bauherren und der Bauplaner, wären auch ohne SIA-Ordnungen geregelt, wenn auch weniger detailliert und für Laien vermutlich auch weniger verständlich. Massgebend ist nämlich das Obligationenrecht (OR), die Rechtsgrundlage des Geschäftslebens in der Schweiz. Dieses Gesetz legt die Spielregeln fest, wie sich die Akteure der Wirtschaft zu verhalten haben.
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Der Planervertrag als gemischter Vertragstyp
Das Obligationenrecht kennt verschiedene Arten von Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien, beispielsweise den Auftrag oder den Werkvertrag. Das Vertragsverhältnis zwischen Bauherrschaft und Planer (Architekt) ist weitgehend als Auftrag einzustufen. Seit Jahrzehnten wird aber in der juristischen Fachwelt darüber gestritten, ob ein Architektenauftrag nicht auch Werkvertragselemente enthalte, also ein gemischter Vertragstyp sei. Als Werkvertragsleistung wird die reine Projektierungstätigkeit verstanden, also beispielsweise die Ablieferung eines Satzes von Plänen. Das Kostenwesen und die Bauleitung dagegen sind als Auftragsleistung zu betrachten.
Das Bundesgericht hält in konstanter Rechtssprechung seit langem unverändert daran fest, dass ein Architektenauftrag auch Werkvertragselemente enthält. Dies wirkt sich beispielsweise auf Rügefristen von mangelhaften Plänen und falschen Berechnungen aus. Näheres dazu siehe den Abschnitt «Rügefristen» (Seite 86 f.).
Als Nichtjuristen nehmen wir etwas vereinfacht an, dass ein Bauplanervertrag, insbesondere ein Architektenvertrag normalerweise den Regeln des einfachen Auftrags untersteht.
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Der einfache Auftrag im Obligationenrecht
Das Vertragsverhältnis des einfachen Auftrags ist im Gesetz in lediglich 13 Paragraphen (Art. 393 bis 406 OR) geregelt. Die Formulierungen sind sehr allgemein gehalten, da das Gesetz für Ärzte, Finanzberater und Architekten gleichermassen zu gelten hat. Die Wortwahl stammt in den Grundzügen noch aus dem 19. Jahrhundert, was die Verständlichkeit für Laien nicht gerade erleichtert. Grundsätzlich ist ein Auftrag eine besonders vertrauensvolle Vertragsbeziehung. Namentlich beim Architekten ist ein ständiger Dialog zwischen Auftraggeber und Beauftragtem erforderlich. Unter anderem zeichnet sich gemäss OR (Art. 398 OR) ein Auftrag durch eine Treue- und Sorgfaltspflicht aus. Weiter legt das OR fest, dass ein Beauftragter für Pflichtverletzungen haftet und dass ihm der Auftraggeber den Auftrag jederzeit entziehen kann.
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Obligationenrecht und Allgemeine Geschäftsbedingungen
Aus rechtlichen Gründen spricht nichts dagegen, einen Architektenvertrag «gemäss OR» abzuschliessen und die SIA-Honorarordnung 102 beiseite zu lassen. In der Praxis ergeben sich durch diesen Verzicht aber nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten. Zunächst ist ein durchschnittlicher (nicht professioneller) Bauwilliger nicht so ohne Weiteres in der Lage, einem Architekten genügend genau zu beschreiben, was er von ihm erwartet. Der Auftrag muss also zuerst einmal formuliert werden, wenigstens in den Grundzügen. Was alles soll die Leistung beinhalten? Wo liegen die Schnittstellen zu anderen Planungsaufträgen (beispielsweise zum Bauingenieur)? Wer ist für die übergeordnete Leitung der gesamten Planungsaufgabe zuständig? – Eine weitere Schwierigkeit betrifft die Frage der Honorierung. Gemäss Gesetz (OR) kann das Honorar nämlich beliebig vereinbart werden. Was heisst das aber in der Praxis? Nach welchen Kriterien soll es bemessen werden?
Alle diese Fragen rufen nach einem Instrument, das die Verständigung unter den Vertragsparteien erleichtert: Es besteht ein Bedürfnis nach «Allgemeinen Geschäftsbedingungen» bei der Beauftragung von Bauplanerleistungen.
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Leseprobe B:
«Das Zeitaufwandmodell aus dem Jahr 2003»
Im Laufe der Jahre 2002/03 ringt der SIA mit der WEKO um eine neue Lösung für die Honorarberechnung, welche in kartellrechtlicher Hinsicht unbedenklich ist. Die Lösung wird gefunden: das Zeitaufwandmodell. Wir gehen im Kapitel 5 im Detail darauf ein (Seite 49 ff.).
Vorerst legen wir die Grundprinzipien des Zeitaufwandmodells anhand von drei Arbeitsschritten dar:
Schritt 1:
Für die Honorarermittlung wird, abhängig von Bauaufgabe und Bausumme, nicht mehr direkt ein Preis berechnet (der «Kostentarif»), sondern in einem ersten Berechnungsschritt zunächst lediglich ein Zeitaufwand für die vorgesehenen Planerleistungen. Es handelt sich dabei um den «durchschnittlichen Zeitaufwand».
Schritt 2:
In diesem Schritt geht es um die Leistungsfähigkeit (Produktivität) des vorgesehenen Planerteams. Diese beruht massgeblich auf der einschlägigen Erfahrung, aber auch auf den eingesetzten Arbeitsinstrumenten. Wenn die anbietende Planungsfirma die teamspezifische Produktivität höher einschätzt als diejenige eines normal produktiven Planerteams, kann der Zeitaufwand entsprechend angepasst werden. Der Produktivitätsfaktor wird mit dem Faktor i bezeichnet. Resultat des zweiten Arbeitsschritts ist der «auftragsspezifisch prognostizierte Zeitaufwand».
Schritt 3:
Im dritten Arbeitsschritt wird das Honorar berechnet, indem der für den Auftrag prognostizierte Zeitaufwand mit dem Stundenansatz multipliziert wird. Der Zeitaufwand kann nach Qualifikationskategorien aufgeschlüsselt werden, es ist aber auch ein mittlerer Stundenansatz möglich.
Die neuerliche Revision der SIA-Honorarordnungsfamilie 102 ff. im Jahr 2003, die erst 2001 publiziert worden ist, beschränkt sich nur auf die Teile der Honorarermittlung (hauptsächlich Artikel 6 «Honorarberechnung nach dem Zeitaufwand» und Artikel 7 «Honorarberechnung nach den Baukosten»). Die übrigen Bestimmungen der Ordnungen (insbesondere der Leistungsbeschrieb) bleiben unverändert.
Für den SIA ist die innert kurzer Zeit erfolgte zweimalige Revision der wichtigen SIA-Honorarordnungsfamilie 102 ff. in finanzieller Hinsicht ein Glücksfall. Die Publikation der neuen Honorarordnungen mit den entsprechenden Kursen beschert dem SIA 2003 «ein absolutes Ausnahmejahr» (TEC 21 12/2004; Seite 26).
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Feinjustierungen beim Zeitaufwandmodell nach 2003
In der Hektik der Neukonzeption der Honorarformel (Zeitaufwandmodell) steht dem SIA die nötige Zeit nicht zur Verfügung, um umfangreiche statistische Untersuchungen über den Zeitaufwand durchzuführen. Es bleibt ihm gar nichts anderes übrig, als die während eines langen Zeitraums ausgewerteten Erfahrungszahlen für den Kostentarif in das neue Zeitaufwandmodell umzurechnen. Wie sich allmählich zeigt, gelingt diese Umrechnung aber nicht befriedigend. Die neuen p-Werte sind anfänglich zu tief, was zur Folge hat, dass auch der berechnete «durchschnittliche Zeitaufwand» zu tief ist. Die Planer sind gar nicht in der Lage, ein Projekt im Rahmen des anhand der neuen Honorarformel abgeschätzten Zeitaufwands abzuwickeln.
Der SIA lässt aufgrund des Unbehagens in der Planerwelt zusätzliche statistische Untersuchungen durchführen. Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse werden die p-Werte in mehreren Etappen angehoben, um auf realistische Werte für den vorkalkulierten Zeitaufwand zu kommen. Der «durchschnittliche Zeitaufwand» steigt dadurch im Zeitraum 2003 bis 2012 um rund 30%.
Insider hat diese Nachjustierung nicht überrascht. Wenn man nämlich mit der neuen Honorarformel des Zeitaufwandmodells das gleich hohe Honorar hätte erreichen wollen wie mit dem alten Kostentarif, hätte man einen hohen mittleren Stundenansatz von 134.50 Fr. einsetzen müssen. Dies ist von Anfang an (also ab 2003) ziemlich unrealistisch erschienen. Der branchenübliche Mittelwert für den Stundenansatz hat damals in der Grössenordnung 100–120 Fr. betragen.
Näheres dazu siehe Abschnitt «Faktor p: Grundfaktor für den Stundenaufwand» (Seite 58 ff.).
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Leseprobe C:
«Teilphase 4.31: Vorprojekt»
Die Teilphase Vorprojekt beinhaltet den besonders kreativen Teil der Planung. Das Pflichtenheft (Raumprogramm) wird in einem anspruchsvollen Prozess in eine bauliche Lösung in Rohfassung umgesetzt. Unter der Leitung des Architekten ist das ganze Planerteam daran beteiligt.
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Studium von Lösungsmöglichkeiten und Grobschätzung der Baukosten
In diesem ersten Leistungsbereich macht sich der Architekt mit den Absichten des Auftraggebers vertraut und sammelt die notwendigen Arbeitsunterlagen (Raumprogramm etc.). Er schätzt grob ab, ob das gewünschte Programm auf dem vorgesehenen Grundstück realisierbar ist. Dabei berücksichtigt er Randbedingungen aller Art (Gesetze, Servitute etc.). Im Weiteren schlägt er dem Auftraggeber vor, welche zusätzlichen Planer beigezogen werden sollen (Bauingenieur, Gebäudetechnikplaner etc.).
Das Pflichtenheft ist die Vorgabe der Bauherrschaft für die Projektentwicklung (siehe dazu das Beispiel auf Seite 96). Seine Erarbeitung ist in den Grundleistungen des Architekten nicht enthalten. Er ist zu entschädigen, wenn er an Teilen davon mitarbeitet (Raumprogramm, Investitionsrechnungen, Betriebsanalysen, Machbarkeitsstudien, Marktabklärungen etc.). Oft geschieht diese zusätzliche Beauftragung im Rahmen der vorausgehenden Phase 1 «Strategische Planung» oder 2 «Vorstudien». – Gelände- und Gebäudeaufnahmen sind ebenfalls nicht Bestandteil der Grundleistungen des Architekten. Auch sie sind besonders zu vereinbaren und zusätzlich zu entschädigen.
Nach dem Vorliegen der Projektvorgaben macht sich der Architekt daran, verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu prüfen und sich allmählich an das beste Konzept heranzutasten. Einzelne Varianten werden in Skizzenform aufgezeichnet. Früher waren die wichtigsten Arbeitsinstrumente dafür transparentes Skizzenpapier und weiche, dicke Bleistifte. Heute werden oft schon erste Skizzen direkt am Computer gezeichnet. – Möglicherweise wird auch ein Arbeitsmodell erstellt, beispielsweise mit Plastilin oder Karton.
Für die Baukosten der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten wird nur die Grössenordnung abgeschätzt. Die zulässige Schwankungsbreite der Kostenaussage wird in der Honorarordnung (Art. 4.31 SIA 102; 2014) nicht explizit angegeben, die Ungenauigkeit kann daher +/–25% und mehr betragen. Es ist aber möglich, einen bestimmten Genauigkeitsgrad zu vereinbaren (siehe Seite 110 ff.). Basis der Kostenermittlung sind meistens kubische Berechnungen oder Flächenberechnungen, die nach den einschlägigen SIA-Normen erstellt werden.
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Vorprojekt und Kostenschätzung
Im nun folgenden Leistungsbereich wird die ausgewählte skizzenartige Lösungsmöglichkeit zu einem vollständigen Vorprojekt weiter ausgearbeitet. Der Architekt berücksichtigt dabei die Vorschläge der beigezogenen Fachplaner und Berater sowie die behördlichen Auflagen. Der Massstab der Pläne wird nicht angegeben, üblich sind jedoch 1:200 oder 1:100. Erstellt wird auch ein Konstruktions- und Materialkonzept.
Nun werden noch die Kosten als Grundlage für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit bereitgestellt. Der Genauigkeitsgrad der Kostenaussage beträgt +/–15%, sofern nicht eine andere Vereinbarung getroffen wird (siehe Seite 110 ff.). Analog dem Kostenvoranschlag (siehe Seite 40 f.) können die Kosten grundsätzlich nach zwei verschiedenen Methoden gegliedert werden: Es gibt die arbeitsgattungsbezogene (traditionelle) und die elementbasierte Version. Im Vergleich zum Kostenvoranschlag ist aber beim Vorprojekt die Gliederung gröber. Bei der arbeitsgattungsbezogenen Arbeitsweise werden die Baukosten beispielsweise nach Hauptgruppen des entsprechenden Baukostenplans (BKP 2001) angegeben.
In den Grundleistungen enthalten ist ferner das Aufstellen eines generellen Zeitplanes für das Bauvorhaben. Zu den besonders zu vereinbarenden Leistungen gehören weitergehende Kostenberechnungen, insbesondere der Vergleich der Baukosten von Varianten.
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Leseprobe D:
«Faktor i: Teamfaktor»
Der Teamfaktor i ist 2003 mit der Einführung des Zeitaufwandmodells neu in die Honorarformel aufgenommen worden. Die entsprechenden Erläuterungen sind in der SIA-Honorarordnung 102 (Ausgabe 2014) sehr kurz gehalten. «Mit dem Faktor i wird die teamspezifische Abweichung vom durchschnittlich aufzuwendenden Zeitaufwand für das Erbringen der vereinbarten Leistung prognostiziert. Der Faktor i ist kein Mass für die Qualität der Leistung» (Art 7.9 SIA 102; 2014).
In der revidierten Ordnung 2014 steht nicht mehr wie in der Vorversion, dass Abweichungen vom Werte 1.0 zu begründen seien. Allerdings findet man die Aufforderung zur Begründung im Mustervertrag (SIA 1001/1; Ziffer 4.3).
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Innovation Teamfaktor
Mit dem Teamfaktor i wird 2003 die traditionelle Honorarkalkulation des Bauplanungsgewerbes um einen neuen Gesichtspunkt erweitert. Man geht nicht mehr a priori davon aus, dass alle Anbieter gleich produktiv sind, sondern akzeptiert Unterschiede: Es gibt effizientere Teams und weniger effiziente. Der Preis einer Planerleistung hängt nun nicht mehr ausschliesslich von der Planungsaufgabe an und für sich ab (sowie von den vermutlich nicht allzu stark voneinander abweichenden Stundenansätzen), sondern auch davon, wie gut ein Anbieter organisiert ist. Je effizienter er ist, desto weniger Zeit braucht er, und desto besser sind seine Voraussetzungen, günstig zu offerieren.
Ein effizientes Team zeichnet sich durch Merkmale wie die folgenden aus:
- gute Teamführung
- viel Erfahrung; spezifisches Know-how
- hohe Entscheidungsfreudigkeit
- kleine Teamgrösse; wenige interne Schnittstellen
- leistungsfähige Arbeitsinstrumente und technische Einrichtungen
Möglicherweise haben wir den Teamfaktor i der Wettbewerbskommission des Bundes (WEKO) zu verdanken. Ich weiss nicht, wie die Verhandlungen in der Zeit um 2002 zwischen ihr und dem SIA im Hinblick auf die Konzeption eines kartellverträglichen Honorierungsmodells abgelaufen sind, darum sei es mir erlaubt zu spekulieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Teamfaktor i ein wichtiger Diskussionspunkt gewesen ist. Der Faktor i wäre in diesem Sinne der Beitrag der WEKO zum neuen Zeitaufwandmodell.
Der SIA hätte den Faktor vermutlich am liebsten weggelassen. Traditionell ist ihm nämlich viel an einem Leistungswettbewerb gelegen, aber nur wenig an einem Preiswettbewerb. Die Honorarberechnung anhand des «durchschnittlichen Zeitaufwandes Tm» gemäss Schritt 1 der aktuellen Honorarformel (Art. 7.2 SIA 102; Ausgabe 2014) hätte dem Leitbild des reinen Leistungswettbewerbs ganz gut entsprochen. Dann wären nämlich alle Angebote, nur leicht differenziert durch die etwas variierenden Stundensätze, vergleichbar hoch gewesen. – Mit dem Teamfaktor i herrscht nun im Bauplanungsgewerbe, wie in den meisten anderen Wirtschaftszweigen auch, ein Wettbewerb der Produktivität.
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Beobachtungen zur Anwendung in der Praxis seit 2003
In den ersten Jahren nach der Einführung des Zeitaufwandmodells im Jahr 2003 ist der Teamfaktor kaum in Erscheinung getreten. Dies ist auch nicht verwunderlich. Da die neue Honorarformel des SIA in dieser Zeit zu tiefe Werte für den durchschnittlichen Zeitaufwand Tm ausgewiesen hat (siehe dazu die Erläuterungen zum Faktor p; Seite 58 ff.), hat es auch keinen Anlass gegeben, beim ohnehin zu knappen Zeitbudget noch eine Reduktion anzubringen. Die Nichtbeachtung des Teamfaktors i ist in Einzelfällen so weit gegangen, dass man ihn ganz weggelassen hat. Ich habe mehrere Honorarkalkulationen gesehen, in denen er in der Honorarformel nicht einmal vorgekommen ist.
In den letzten Jahren hat die Bedeutung des Teamfaktors i allerdings etwas zugenommen, wahrscheinlich bedingt durch die markante Anhebung der p-Faktoren, welche im Zeitraum 2003 bis 2012 um 30% betragen hat. Nun deckt der durch die Honorarformel ermittelte durchschnittliche Zeitbedarf Tm den effektiv zu erwartenden Zeitbedarf auch ab. Die Architektenschaft hat erkannt, dass noch Luft in der Kalkulation ist. Somit ist für die Anbieter das Potential vorhanden, den auftragsspezifisch prognostizierten Zeitaufwand Tp unter dem durchschnittlichen Zeitaufwand Tm anzusetzen und einen Teamfaktor i einzufügen, der kleiner ist als 1.0. Konkret trifft man für i etwa auf einen Wert von 0.9, in Einzelfällen auch darunter. Ich kann mich aber nicht erinnern, jemals auf eine Begründung gestossen zu sein, wenn der Faktor i kleiner als 1.0 gewesen ist, wie es in der Ausgabe 2003 der Honorarordnung gefordert wurde (Art. 7.11 SIA 102; 2003).
Es ist vermutlich aber auch jetzt noch nicht so weit, mehr als zehn Jahre nach der Einführung des Zeitaufwandmodells, dass alle Bauplanenden wissen, worum es beim Faktor i überhaupt geht. Ich habe in Einzelfällen beispielsweise auch schon die Meinung gehört, und zwar durchaus von zünftig ausgebildeten Architekten, dass der Teamfaktor dann zur Anwendung komme, wenn es um Honorarfragen bei einer projektbezogenen Arbeitsgemeinschaft von eigenständigen (wirtschaftlich voneinander unabhängigen) Planungsbüros gehe. Wenn also zwei Architekturbüros zusammen ein Team bilden, habe die Arbeitsgemeinschaft Anspruch auf einen Teamzuschlag. – Damit hat der Teamfaktor i aber gar nichts zu tun. Es ist zwar denkbar, dass eine vom Auftraggeber verlangte Planergemeinschaft von Architekten zu einem erhöhten Honorar führt, dafür wird aber der Anpassungsfaktor r benutzt (Art. 7.8 SIA 102; 2014). Beim Teamfaktor i jedoch geht es nicht um eine Arbeitsgemeinschaft, sondern um Produktivität. Er ist ein Mass dafür, wie hoch die Produktivität des vorgesehenen Planerteams eingeschätzt wird. Es handelt sich dabei um Mitglieder eines Teams für eine bestimmte Planungsdisziplin (z.B. Architektenleistungen), welche meistens auch aus der gleichen Planerfirma stammen. Es sind jedoch Ausnahmen möglich, beispielsweise ein externer Bauleiter. Aber auch ein selbständig erwerbstätiger Baumanager kann zu einer erhöhten Produktivität des Architektenteams und somit zu einem tiefen Teamfaktor i beitragen.
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Leseprobe E:
«Vertretung des Auftraggebers»
Vorbemerkung:
Es geht um einen ausgewählten Aspekt aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) zur Familie der SIA-Honorarordnungen 102 ff., und zwar um die Vertretung des Auftraggebers. Diese ist geregelt in Artikel 1.2 Absatz 3 der AVBs.
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Das Thema der Vertretung des Bauherrn durch den Architekten ist einer der wichtigsten Punkte, der im Rahmen des Planervertrags geklärt werden muss. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind die nachfolgenden Ausführungen darüber so umfangreich geraten.
Der Architekt ist beim Bauen in vielerlei Hinsicht der Stellvertreter der Bauherrschaft. Seine Legitimation, im Namen des Auftraggebers gewisse Rechtshandlungen (Tätigkeiten) vorzunehmen, bezeichnet man als Vollmacht. Wie bei jeder Stellvertretung ist es auch beim Architekten nötig, den Umfang der Vertretungsbefugnisse genau zu vereinbaren. Er hat keine Generalvollmacht, alles und jedes betreffend. Er soll nicht Entscheide treffen, welche die Bauherrschaft sich selbst vorbehalten möchte. Zudem müssen die Unternehmer wissen, für welche Entschiede oder Anordnungen er legitimiert ist. – Zentrale Bestimmungen zur Vollmacht finden sich im oben genannten Art. 1.2 Abs. 3. Ich zitiere daraus die ersten drei Abschnitte:
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Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnisse des Beauftragten richten sich nach dem Vertrag.
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Im Zweifelsfall hat der Beauftragte die Weisungen des Auftraggebers einzuholen für alle rechtsgeschäftlichen Vorkehren sowie für Anordnungen, die terminlich, qualitativ oder finanziell wesentlich sind.
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Gegenüber Dritten, wie Behörden, Unternehmern, Lieferanten, und weiteren Beauftragten, vertritt der Beauftragte den Auftraggeber rechtsverbindlich, soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die mit der Auftragserledigung üblicherweise direkt zusammen-hängen. Sämtliche mündlichen und schriftlichen Abmahnungen sind umgehend an den Auftraggeber weiterzuleiten.
Aus dem zitierten Text lässt sich ableiten, dass die wirklich wichtigen Rechtshandlungen vom Architekten nicht ohne Absprache mit dem Auftraggeber vorgenommen werden können. Darunter fallen insbesondere solche, die mit finanziellen Konsequenzen verbunden sind. Völlig klar ist beispielsweise, dass nur die Bauherrschaft (und nicht der Architekt) Bauarbeiten vergeben und Werkverträge abschliessen kann. Bei einem breiten Feld von Tätigkeiten ist aber eine Stellvertretung möglich und notwendig. Das Paradebeispiel ist die örtliche Bauleitung, also das Erteilen von Weisungen auf der Baustelle. An vielen Stellen des umfangreichen Leistungsbeschriebs (Art 4. SIA 102; 2014) werden dazu konkrete Beispiele aufgeführt (Allgemeine Leitung und Überwachung der Arbeiten auf der Baustelle; Ausmassarbeiten; Feststellen von Mängeln, Anordnen von Massnahmen und Fristen zu deren Behebung etc.).
Obwohl die Vertretungsbefugnisse in der SIA-Ordnung 102 nicht lückenlos geregelt sind, ergeben sich gemäss meinen Erfahrungen diesbezüglich relativ wenige Probleme. Offenbar hat sich im Baualltag während langer Jahre allmählich eingependelt, was «üblicherweise» zur Vollmacht des Architekten gehört. Trotzdem ist es empfehlenswert, die Vollmacht im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu erörtern und allenfalls zu präzisieren. Eine Vollmacht soll nur für Rechtshandlungen erteilt werden, wo eine Vertretung aus sachlichen Gründen nötig ist.
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Vollmacht überprüfen
Im SIA-Mustervertrag 1001/1 können nur in einem kleinen Rahmen Vereinbarungen zur Vollmacht getroffen werden, speziell zur Finanzvollmacht (siehe Abschnitt «Stellvertretung und Vollmacht», Seite 117 f.).
Aus meiner Sicht sollte die Bauherrschaft überprüfen, ob darüber hinaus weitergehende Präzisierungen zur Vollmacht des Architekten angezeigt sind. Diese Verifikation kann darin bestehen, dass die Bauherrschaft mit dem Architekten den ganzen Projektablauf systematisch durchspricht. Dabei hält sie sich mit Vorteil an den Leistungsbeschrieb (Art. 4 SIA-Ordnung 102; 2014), der recht detailliert ist (12 Seiten; von Vorprojekt bis Abschluss). Der Architekt soll speziell jene Tätigkeiten (Rechtshandlungen) hervorheben, bei denen er seiner Ansicht nach den Auftraggeber rechtsverbindlich vertreten will, weil diese Tätigkeiten «mit der Auftragserledigung üblicherweise direkt zusammenhängen». Ein spezielles Augenmerk ist dabei auf die nachfolgend aufgeführten Punkte zu legen: A. Regierapporte, B. Bestellungsänderungen, C. Schlussabrechnung und D. Abnahmen. Sie betreffen die Vollmacht der Bauleitung gegenüber den Unternehmern während der Bauausführung.
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Fall A: Regierapporte
Bei Regiearbeiten bemisst sich die Vergütung nach dem Aufwand an Arbeitszeit und Material des Unternehmers. Der Unternehmer darf in der Regel nicht von sich aus Regiearbeiten ausführen. Sie müssen von der Bauleitung ausdrücklich angeordnet (bestellt) werden. Regiebestellungen, insbesondere grössere, sollen vorgängig der Bauherrschaft zur Genehmigung unterbreitet werden. Der Unternehmer muss für Regiearbeiten täglich einen Regierapport erstellen.
Auch wenn es unbestritten ist, dass die Bauleitung nicht von sich aus Regiearbeiten auslösen darf, wird die Bauherrschaft in der Praxis doch immer wieder mit Regierechnungen in nicht erwarteter Höhe konfrontiert. Der Grund für die Überschreitung dürfte in der Regel darin liegen, dass der budgetierte Arbeitsumfang der Regiearbeiten nicht eingehalten werden kann und die Kosten deswegen eskalieren. Das Ausmass der Regiearbeiten stellt also die Überraschung für die Bauherrschaft dar und nicht die Notwendigkeit von Regiearbeiten an und für sich.
Die Bauherrschaft sollte nicht warten, bis die Regierechnungen bei ihr eintreffen. Es ist ihr zwar auch zu diesem Zeitpunkt noch mög-lich, die Forderung zu bestreiten. In Einzelfällen wird sie dabei auch Er-folg haben. Meiner Ansicht nach ist es aber besser, wenn sie sich so früh wie möglich in die Überwachung der Regiearbeiten einschaltet. Die folgenden zwei Schutzmassnahmen können dabei empfohlen werden:
Methode 1: Zweitunterschrift
Bei dieser Schutzmassnahme gilt ein Regierapport erst dann als rechtskräftig unterzeichnet, wenn er sowohl von der Bauleitung wie von der Bauherrschaft visiert ist. Der Bauleiter erhält dadurch gegenüber dem Werkunternehmer eine gewisse Rückenstärkung, und die Bauherrschaft ist über pendente Regiearbeiten immer informiert.
Methode 2: Beantragung in Form von Budgets
Wie bereits oben erwähnt, muss die Bauleitung die Ausführung von Regiearbeiten bei der Bauherrschaft beantragen. Bei grösseren Regiearbeiten kann diese Beantragung in Form von Budgets für Zeiteinheiten geschehen. Es kann sich hier beispielsweise um ein Wochen- oder Monatsbudget handeln. Die Bauleitung darf nur Regiearbeiten bestellen, wenn das entsprechende Budget von der Bauherrschaft vorgängig freigegeben wurde.
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Fall B: Bestellungsänderungen
Bestellungsänderungen sind im Bauwesen relativ häufig. Dabei ist zu unterscheiden zwischen geplanten und ungeplanten Änderungen. Von einer geplanten Bestellungsänderung sprechen wir dann, wenn der Besteller ohne äusseren Druck beschliesst, ein Werk anders als geplant auszuführen. Diese Art von Bestellungsänderung ist in der Regel unproblematisch.
Viel heikler sind die ungeplanten Bestellungsänderungen. Sie treten etwa dann auf, wenn sich im Verlauf der Umgebungsarbeiten zeigt, dass die bestellten Mengen nicht ausreichen: Es gibt mehr Erdbewegungen als geplant, teurere Hangsicherungen als vorgesehen und zusätzliche Leitungen. Auch Umbauten und Sanierungen sind sehr anfällig auf ungeplante Bestellungsänderungen.
Schutzmassnahmen sind vor allem nötig bei ungeplanten Änderungen. Die Bauleitung darf zusätzlich benötigte Leistungen nicht von sich aus bestellen. Es darf keine «stillschweigenden» Mehrbestellungen von ihr geben, die unsichtbar sind für die Bauherrschaft – selbst wenn sie notwendig sind. Rechtshandlungen, die mit finanziellen Konsequenzen verbunden sind, muss sie grundsätzlich der Bauherrschaft zur Genehmigung vorlegen.
Im Zusammenhang mit Bestellungsänderungen sei auf die Pflicht des Planerteams und speziell des Gesamtleiters zur ständigen Kosteninformation gegenüber dem Bauherrn verwiesen (siehe Absatz «Ständige Kosteninformation»; Seite 113).
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Fall C: Schlussabrechnung
Spätestens zwei Monate nach Abnahme seines Werkes hat der Unternehmer die Schlussabrechnung einzureichen. Diese gibt Aufschluss über die geforderte Vergütung sowie über sämtliche gestellten Rechnungen und erhaltenen Zahlungen. Für die Prüfung steht der Bauleitung nach SIA-Norm 118 (Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten) ein Monat zur Verfügung.
Das letzte Wort im Rechnungswesen und speziell bei der Schlussabrechnung muss die Bauherrschaft haben – und nicht die Bauleitung. Es geht nicht an, dass die Bauleitung in eigener Kompetenz Rechnungen verbindlich anerkennt und somit die Bauherrschaft zu Zahlungen verpflichtet. Sie muss sich darauf beschränken, die Schlussabrechnung zu prüfen. Nur die Bauherrschaft kann sie anerkennen.
Betrachten wir dazu ein Beispiel. Nehmen wir an, dass wegen eines Planungsfehlers des Architekten ein Baustellenkran länger als vorgesehen stehen bleiben muss. Es entstehen Mehrkosten von rund 10 000 Fr. Die Mehrmiete des Krans erscheint offen ausgewiesen in der Rechnung des Baumeisters.
Aus juristischer Sicht ist der Fall klar: Der Architekt hat seinen Auftrag fehlerhaft erfüllt, wofür er haftet. Aus menschlicher Sicht ist es aber verständlich, dass er den Schaden nicht gerne selbst übernimmt, sondern versucht, ihn der Bauherrschaft anzulasten. Nur eine aufmerksame Bauherrschaft hat die Chance, bei der Kontrolle der Schlussabrechnung eine derartige Vertuschung zu erkennen. Sie wird anstreben, dass die Bauleitung den Schaden (oder wenigstens einen Teil davon) selbst übernimmt. – Es ist daher unerlässlich, dass bei der Genehmigung der Rechnungen die Bauherrschaft das letzte Wort hat.
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Fall D: Abnahmen
Wenn ein Unternehmer sein Werk vollendet hat, geht es in der Regel in einem formellen Akt in die Obhut der Bauherrschaft über. Diesen Vorgang bezeichnet man als Abnahme. Die Abnahme läuft so ab, dass das Werk von Bauleitung und Unternehmer gemeinsam geprüft wird. Allfällige Mängel werden in einem Abnahmeprotokoll festgehalten.
Gelegenheitsbauherren haben (anders als professionelle Bauherren) in der Regel nicht die Möglichkeit, selbst an den Abnahmen teilzunehmen. In den meisten Fällen ist es auch nicht problematisch, wenn die Abnahme von der Bauleitung in ihrem Auftrag vorgenommen wird. In Einzelfällen kann sich allerdings eine zu wenig sorgfältige Abnahme für die Bauherrschaft negativ auswirken. In diesem Zusammenhang ist eine Vereinbarung in der SIA-Norm 118 (Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten) speziell wichtig. Gemäss dieser Bestimmung entfällt die Haftung des Unternehmers für einen Mangel, der von der Bauleitung bei der Abnahme zwar erkannt, aber nicht geltend gemacht worden ist. Anders ausgedrückt: Offensichtliche Mängel, die im Abnahmeprotokoll nicht aufgeführt sind, gelten als genehmigt.
Es ist ratsam, dass die Bauherrschaft das Problem der Abnahmen mit der Bauleitung bespricht. Die Bauherrschaft soll sich vergewissern, dass erkennbare Mängel bei der gemeinsamen Prüfung auf jeden Fall geltend gemacht werden. Angezeigt ist allenfalls auch eine Vereinbarung in den Werkverträgen, dass Abnahmeprotokolle erst gültig sind, wenn sie nicht nur von der Bauleitung unterzeichnet sind, sondern zusätzlich auch von der Bauherrschaft.
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Leseprobe F:
«Vertragstyp – Einzel- oder Gesamtbeauftragung?»
Vorbemerkung:
Das Thema «Vertragstyp» ist angesprochen auf Seite 2 des SIA- Mustervertrags (Planer-/Bauleitungsvertrag SIA 1001/1).
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Bei der Wahl des Vertragstyps geht es um die Frage, ob die Mitglieder des Planerteams einzeln beauftragt werden oder gesamthaft. Die Angaben zum Vertragstyp befinden sich auf Seite 2 des Mustervertrags.
Bei der Gesamtbeauftragung gibt es zwei Formen, eine schon lange bestehende und eine neuere. Die traditionelle Form ist das Generalplanermodell. Es zeichnet sich dadurch aus, dass ein Hauptplaner (meist der Architekt) mit dem Bauherrn einen Vertrag für die Erbringung sämtlicher Planerleistungen abschliesst. Kann er Planungsdisziplinen nicht im eigenen Haus abdecken, beauftragt er in seinem Namen die Subplaner (Bauingenieur etc.).
Die neuere Form der Gesamtbeauftragung ist die Planergemeinschaft. Sie ist meines Wissens erst mit der Einführung des Leistungsmodells richtig in Erscheinung getreten (definitive Fassung LM SIA 112 im Jahr 2001; siehe Seite 27 ff.). Wie bereits erwähnt, wird das Leistungsmodell jedoch seit 2014 nicht mehr weitergeführt. Das hat Auswirkungen auf die Planergemeinschaft als Vertragstyp. Sie ist bisher mit dem Leistungsmodell verbunden gewesen und nun quasi heimatlos geworden. Der SIA hat darauf reagiert und mit dem SIA-Mustervertrag 1001/1 ein universell verwendbares Instrument geschaffen, das für alle Vertragstypen verwendet werden kann: neben der altvertrauten Einzelbeauftragung und dem ebenfalls schon lange bekannten Generalplanermodell auch für die Planergemeinschaft.
Die verschiedenen Formen der Beauftragung (Vertragstypen) werden in den SIA-Honorarordnungen 102 ff. (2014) erwähnt, beispielsweise in Art. 3.5 Abs. 2 SIA 102 (Architekten).
In diesem Kapitel betrachten wir nur die Einzelbeauftragung und das Generalplanermodell näher, nicht aber die Planergemeinschaft. Letztere wird nämlich, soweit ich es beurteilen kann, primär von grossen, professionellen Bauherrschaften angewendet, kaum aber von Gelegenheitsbauherren. Die Bauherrschaft muss nämlich ausdrücklich verlangen, dass eine Planergemeinschaft gebildet wird. Sie entsteht nicht automatisch. Sie ist als einfache Gesellschaft zu betrachten, was in juristischer Hinsicht komplexe Fragen aufwirft (beispielsweise bezüglich der Haftung). Das Innenverhältnis der Planergesellschaft muss deshalb rechtlich geregelt werden. Der SIA stellt zu diesem Zweck einen separaten Mustervertrag zur Verfügung (SIA 1001/2: Gesellschaftsvertrag für Planergemeinschaft).
Nachfolgend gehe ich auf einige wichtige Punkte ein, in denen sich die traditionelle Einzelbeauftragung von der Gesamtbeauftragung (Generalplanermodell) unterscheidet. Behandelt werden die Kriterien Haftung, Honorarzuschlag, Planungsqualität und Aufwand für den Abschluss der Planerverträge. Am Schluss spreche ich noch von echten und unechten Generalplanern.
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Kriterium 1: Haftung
Die einheitliche Haftung ist ein wesentlicher Vorteil der Gesamtbeauftragung. Der Bauherr hat nur einen Vertrag und somit nur einen Vertragspartner, auf den er bei Mängeln zurückgreifen kann.
Bei Einzelbeauftragung haftet jeder Einzelplaner zwar auch. Die Haftung ist geregelt in den Allgemeinen Vertragsbedingungen der SIA-Honorarordnungen 102 ff. (für Architekten: Art. 1.7 Abs. 1 SIA 102; Ausgabe 2014; siehe Seite 85 f.). Probleme können sich aber dann ergeben, wenn nicht klar ist, welcher Planer für einen bestimmten Planungsmangel verantwortlich ist.
Der Punkt der einheitlichen Planungshaftung ist zwar wichtig, sollte aber nicht überbewertet werden. Ich persönlich habe in meiner Karriere noch nie einen Fall erlebt, bei dem es bei Einzelplanern Streit über die Haftung bei einem Planungsmangel gegeben hat. Ich schaue das Risiko der Einzelbeauftragung hinsichtlich der Planungshaftung somit als überblickbar an.
In seltenen Fällen gibt es jedoch Bauprojekte, denen man schon von weitem ansieht, dass sie grosse Risiken beinhalten. Nicht nur Laien fragen sich, ob das Projekt überhaupt ausführbar sei. Hier kann es angezeigt sein, für die Bauausführung das Realisierungsmodell in Betracht zu ziehen, das hinsichtlich der Risikobegrenzung für die Bauherrschaft wohl am stärksten ist. Es handelt sich dabei um das Generalunternehmermodell mit der Planungshaftung für vorbestandene Planungsfehler. Näheres dazu in meinem Buch: «Mit wem baue ich?» (siehe Anhang), Seite 287.
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Kriterium 2: Honorarzuschlag
Es ist zu berücksichtigen, dass im Normalfall bei der Gesamtbeauftragung ein Generalplanerzuschlag verlangt wird (Art 5.10 SIA 102; 2014). Dieser Zuschlag beträgt gemäss SIA 102 in der Regel 5% des Gesamthonorars.
Bei einem grösseren Projekt von angenommen 1 Mio. Fr. Honorarsumme für den Generalplaner kann der Generalplanerzuschlag somit 50 000 Fr. betragen. Der Bauherr muss abwägen, ob er diesen Betrag ausgeben will, um hinsichtlich der Haftung besser dazustehen. Bei Einzelbeauftragung der Planer kann er den gesparten Betrag einsetzen, um dem eher unwahrscheinlichen Fall zu begegnen, dass Haftungsfragen auf den Bauherrn zurückfallen. Er kann beispielsweise eine Rückstellung vornehmen für allfällige Rechtskosten.
Bei grossen Generalplanern, die wesentliche Teile der Wertschöpfung in der eigenen Firma abdecken, wird der Generalplanerzuschlag gelegentlich von geschäftserfahrenen Bauherren in Frage gestellt. Es wird argumentiert, dass eine Gesamtbeauftragung eher günstiger sein sollte als Einzelbeauftragungen und keinesfalls teurer. Im Zusammenhang mit dieser Streitfrage erinnere ich mich an den Finanzchef eines schweizerischen Industrieunternehmens. In einem Ausbruch von Heiterkeit hat er einmal festgestellt, dass es wohl nur im Bauplanungsgewerbe vorkomme, dass es anstelle eines Mengenrabatts einen Mengenzuschlag gebe. Seiner Meinung nach müsse man daher eher über einen Generalplaner-Rabatt sprechen als über einen -Zuschlag.
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Kriterium 3: Planungsqualität
Die Qualität der Planung ist nicht abhängig vom Beauftragungsmodell. Man darf somit bei der Einzelbeauftragung die gleiche planerische Qualität erwarten wie beim Generalplanermodell. Bei beiden Modellen sind unter Umständen die genau gleichen Planungsfirmen und der gleiche Gesamtleiter am Werk. Sie treten nur in einem anderen juristischen Gewand auf. Es gibt beim Generalplaner keine alles überragende Person in der Projektorganisation, welche eine vermeintlich höhere Planungsqualität des Generalplaners gewährleistet.
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Kriterium 4: Aufwand für Abschluss Planerverträge
Hier geht es darum, wie viel Aufwand die Bauherrschaft betreiben muss, bis sie die Planerverträge mit dem Planerteam abgeschlossen hat. Gemäss meinen Erfahrungen sind Generalplanerverträge eher aufwendiger im Abschluss als Einzelplanerverträge. Viele private Bauherren interessieren sich nämlich ziemlich stark für die Planungskosten, und diesbezüglich ist es bei Generalplanerverträgen komplizierter.
Bei Einzelbeauftragung ist nur der Architektenvertrag aufwendig. Die Bauherrschaft muss sich intensiv mit den Kriterien für die Architektenauswahl befassen (Leistungsprofil, Erfahrung, Referenzen, Preis etc.). Bei den übrigen Planerverträgen jedoch liegt die Hauptarbeit beim Ge-samtleiter, der durch die Beauftragung des Architekten schon bestimmt ist. Der Aufwand des Bauherrn ist minimal.
Bei der Gesamtbeauftragung jedoch ist die Bauherrschaft bei der Prüfung des Angebots für die Gesamtheit der Planerleistungen ganz auf sich allein gestellt. Es gibt noch keinen Gesamtleiter, der ihr helfen kann. Es ist auch nicht so einfach für sie, sich ein Urteil über den angebotenen Preis zu bilden. Das Gesamthonorar dürfte vermutlich etwas höher sein, sofern keine Konkurrenzsubmission für die Planerleistung durchgeführt wird.
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Echte und unechte Generalplaner
Hier geht es um die Frage, ob der als Generalplaner auftretende Bauplaner in seiner Rolle wohl ist und häufig als Generalplaner auftritt. Sogenannte unechte Generalplaner bleiben nämlich in ihrer traditionellen Rolle als Einzelplaner und Gesamtleiter gefangen. Sie nehmen gegenüber ihrem Auftraggeber ihre Verantwortung nicht richtig wahr.
Einen unechten Generalplaner kann man beispielsweise dann erkennen, wenn es Probleme bei der Planungsarbeit gibt und einem Teammitglied Planungsmängel unterlaufen. Er sorgt dann nicht selbst für Ordnung, sondern beklagt sich beim Bauherrn über das ungenügende Teammitglied, zum Beispiel über den Gebäudetechnikplaner. Ein solcher Generalplaner hat schlicht seine Rolle nicht richtig begriffen. Er merkt nicht, dass er sich über eine Leistung beschwert, für die er selbst verantwortlich ist.
Nur bei der Einzelbeauftragung ist es dem Gesamtleiter erlaubt, sich gegenüber dem Bauherrn über ein Teammitglied zu beklagen. Ein Generalplaner dagegen darf nicht klagen, er muss handeln. Im Falle des oben genannten unsorgfältigen Gebäudetechnikplaners muss die Handlung darin bestehen, dafür zu sorgen, dass die Mängel behoben werden. Allenfalls muss er seinen Subplaner, für den er verantwortlich ist, auswechseln.
Unechte Generalplaner trifft man keineswegs nur bei kleinen Bauvorhaben an. Sie sind auch bei Bauprojekten mit einer respektablen Grösse (20–30 Mio. Fr. Bausumme) zu finden, und das federführende Architekturbüro kann durchaus einem renommierten Berufsverband angehören.
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Generelle Empfehlung
Gemäss meinen Erfahrungen kann man auch relativ grosse und komplexe Projekte in Einzelbeauftragung durchführen. Im Zweifelsfall würde ich eher Einzelbeauftragung wählen, sofern der vorgesehene Gesamtleiter einen guten Eindruck hinterlässt, statt Gesamtbeauftragung mit einem Generalplaner, der in seiner Rolle nicht wohl ist.
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Leseprobe G:
«Genauigkeit der Kosteninformationen»
Vorbemerkung:
Das Thema «Genauigkeit der Kosteninformationen» ist angesprochen in Ziffer 5.1 des SIA-Mustervertrags (Planer-/Bauleitungsvertrag SIA 1001/1).
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Unter der Ziffer 5 des Mustervertrags sind unter dem Titel «Finanzielle Modalitäten» Themen zusammengefasst, die nicht viel miteinander zu tun haben. Unter der Ziffer 5.1 geht es um die Genauigkeit der Kosteninformationen, also um einen Gesichtspunkt der Planungstätigkeit. Gegenstand der weiteren Ziffern jedoch sind Einzelheiten der Bezahlung des Planers (Zahlungsmodalitäten, Zahlungsfristen, Zahlungsort). Diese behandle ich nicht weiter und beschränke mich nachfolgend auf die Aspekte der Kosteninformation. Dazu gehören neben der Definition der Genauigkeitsgrade die Methoden der Kostengliederung.
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Genauigkeitsgrade der Kostenaussage
Gemäss Ziffer 5.1 des Mustervertrags hat die Bauherrschaft hinsichtlich der Genauigkeit der Kosteninformationen zwei Wahlmöglichkeiten:
Variante 1: Genauigkeitsgrade gemäss Art. 4 SIA 102 ff.
Die Bauherrschaft kann die Standardwerte für die Kostengenauigkeit gemäss SIA-Ordnung 102 ff. (2014) wählen (definiert in Art. 4):
- Kostenschätzung zum Vorprojekt +/– 15%
- Kostenvoranschlag zum Bauprojekt +/– 10%
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Variante 2: Individuell vereinbarte Genauigkeitsgrade
Die Kostengenauigkeit kann auch individuell vereinbart werden. Neben den beiden oben genannten Zeitpunkten der Kostenermittlung ist hier noch ein dritter aufgeführt:
- Grobschätzung der Baukosten für erarbeitete Lösungsmöglichkeiten
- Kostenschätzung zum Vorprojekt
- Kostenvoranschlag zum Bauprojekt
Bei der Grobschätzung der Baukosten dürfte eine Genauigkeit von 20 oder 25% angezeigt sein.
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Zusätzlicher Zeitpunkt der Kostenermittlung:
KV zum Zeitpunkt des Baubeschlusses (Baubeginns)
Aus meiner Sicht sollte neben den oben genannten Zeitpunkten der Kostenermittlung noch ein weiterer Zeitpunkt aufgeführt werden: der Kostenvoranschlag zum Zeitpunkt des Baubeschlusses (Baubeginns). Da diesbezüglich im Mustervertrag eine Wahlmöglichkeit fehlt, wird eine allfällige Vereinbarung in einer Beilage zum Planervertrag festgehalten.
Der normale Kostenvoranschlag wird während der Teilphase «Bauprojekt» erstellt, etwa zum Zeitpunkt des Baugesuchs. Der nächste wichtige Meilenstein für die Bauherrschaft ist der formelle Baubeschluss. Dieser wird einige Monate nach Einreichung des Baugesuches gefällt, je nachdem, wie lange das Baubewilligungsverfahren dauert. Der KV zum Zeitpunkt des Baubeschlusses (Baubeginns) ist in der Regel genauer als derjenige zum Zeitpunkt des Baugesuchs (Bauprojekt). Beim Bauprojekt beruhen die Kosten mehrheitlich auf Erfahrungszahlen. Beim Kostenvor-anschlag zum Zeitpunkt des Baubeginns jedoch ist die Teilphase «Ausschreibung» bereits weitgehend abgeschlossen. Ein grosser Teil der Arbeiten ist schon ausgeschrieben und die Unternehmerleistungen sind mit realen Offerten hinterlegt. Die Kosten beruhen somit auf Marktpreisen. Der Kostenvoranschlag zum Zeitpunkt des Baubeschlusses weist somit nur noch geringe Unsicherheiten auf. Eine Genauigkeit von +/– 5% ist durchaus möglich. – Falls die Bauherrschaft diesen erhöhten Genauigkeitsgrad wünscht, sollte die Forderung im Planervertrag festgehalten werden. Näheres in meinem Buch «Mit wem baue ich?» (siehe Anhang), Seite 63 ff.
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Methoden der Kostengliederung
Im Mustervertrag ist die Methode der Kostengliederung als Wahlvariante nicht angesprochen. Dies erstaunt, denn im Leistungsbeschrieb (Art. 4.31 und 4.31 SIA 102; 2014) ist ausdrücklich erwähnt, dass die Methode der Kostengliederung vereinbart werden kann. Diese Wahlmöglichkeit betrifft sowohl die Ermittlungszeitpunkte Vorprojekt wie Bauprojekt.
In der Bauwirtschaft sind die Kosten jahrzehntelang bevorzugt nach Arbeitsgattungen gegliedert worden. Eine Arbeitsgattung entspricht dem typischen Leistungsumfang eines Werkunternehmers (Baumeister, Elektriker etc.). Das Instrument zur Kostengliederung ist der traditionelle Baukostenplan BKP, letztmals revidiert im Jahr 2001.
Die Kostengliederung nach Arbeitsgattungen hat einen wesentlichen Nachteil. Sie eignet sich nicht so gut für die Kostenplanung. Die Kostenoptimierung, also die kostenbezogene Untersuchung von unterschiedlichen Entwurfskonzepten oder Konstruktionsarten, ist nicht so einfach möglich. Der traditionelle Kostenvoranschlag ist nämlich aufwendig zu erstellen. Um die Kosten pro Arbeitsgattung ermitteln zu können, muss man die Leistung des betreffenden Werkunternehmers in kleine, normierte Leistungspositionen aufteilen, die sogenannten Normpositionen. Das Arbeiten mit dem Kostenvoranschlag nach Arbeitsgattungen ist daher etwas träge.
Das moderne Kostenwesen ist ganz anders aufgebaut, nämlich elementbasiert. Diese Gliederungssystematik eignet sich viel besser für Projektoptimierungen und ist für die Bauherrschaft deutlich verständlicher. Im Prinzip kann man sich die elementbasierte Gliederung als Baukasten vorstellen. Das Bauprojekt wird aus einem Baukasten von Bauteilen zusammengesetzt, und die Kosten der einzelnen Elemente werden addiert. Typische Bauteile sind Wände, Decken oder Ausbauelemente. Das Instrument zur Gliederung der Kosten nach Elementen ist der elementbasierte Baukostenplan eBKP. Die heutige gültige Fassung hat die Bezeichnung eBKP-H 2012.
Der interessierten Bauherrschaft wird empfohlen, sich mit den beiden Methoden der Kostengliederung vertraut zu machen. Aus meiner Sicht ist die elementbasierte Kostengliederung für die Kostenplanung zu bevorzugen (Vorprojekt und Bauprojekt; inkl. Kostenvoranschlag). Näheres in meinem Buch «Mit wem baue ich?» (siehe Anhang), Seite 32 ff.
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Ständige Kosteninformation
Es ist eine Grundaufgabe des Architekten (Gesamtleiters), seinen Bauherrn laufend über die Entwicklung der Kosten zu informieren. Die Grundleistungen der Kostenkontrolle sind im Leistungsbeschrieb gemäss SIA-Honorarordnung 102 wie folgt beschrieben: «Periodische Kostenrapporte, Vergleich von Zahlungen und Verpflichtungen mit dem Kostenvoranschlag» (Art. 4.52 SIA 102; 2014).
Trotzdem kann es angezeigt sein, das Thema der Kostenkontrolle im Planervertrag noch speziell aufzuführen. Dabei ist speziell der Aspekt der Aktualität zu erwähnen. Die Bauherrschaft hat nämlich Anspruch auf eine fortlaufende (ständige) Kosteninformation. Allfällige negative Entwicklungen bei den Kosten müssen sofort kommuniziert werden. Die Planer dürfen damit nicht bis zum nächsten geplanten Finanzrapport warten.
Bezüglich der Praxis der Kostenüberwachung hat sich ab 2005 eine Verschärfung ergeben, basierend auf einem Bundesgerichtsentscheid in diesem Zeitraum. Näheres in meinem Buch «Mit wem baue ich?» (siehe Anhang), Seite 191.
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Leseprobe H:
(Zu) viele Steuerungselemente für die Honorargestaltung
Vorbemerkung:
Es geht um Honorarrichtwerte von Einfamilienhäusern
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Die Einführung des Zeitaufwandmodells im Jahre 2003 hat die Aufgabe nicht leichter gemacht, Honorarrichtwerte für Einfamilienhäuser anzugeben. In der Praxis trifft man nämlich auf eine verwirrende Vielfalt von Möglichkeiten, mit denen die Architekten die Höhe des Honorars steuern.
Zu den normalen Möglichkeiten, wie das Honorar angepasst werden kann, gehören die Honorarfaktoren i (Teamfaktor) und h (Stundenansatz). Gemäss dem Systemgedanken des Zeitaufwandmodells müsste man erwarten, dass vor allem diese Faktoren benutzt werden, um die Höhe des Honorars im Sinne des anbietenden Planers zu bestimmen. Dies passiert natürlich mitunter auch, aber daneben gibt es noch «abnormale» Möglichkeiten. Wir bezeichnen sie als Störfaktoren.
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Störfaktor 1: Offen ausgewiesene Rabatte
Auf dem Einfamilienhausmarkt trifft man erstaunlich oft den Fall an, dass bei der Honorarkalkulation Rabatte offen ausgewiesen werden. Die Honorarformel des Zeitaufwandmodells hat im Jahre 2014 zwar mittlerweile acht Honorarfaktoren (B, n, q, r, U, i, s und h), die (in unterschiedlichem Ausmass) beeinflussbar sind, aber sie reichen anscheinend nicht aus, um das Honorar festzulegen. Es braucht zusätzlich noch den offen ausgewiesenen Rabatt. Anscheinend kann damit gegenüber dem Kunden am besten dokumentiert werden, dass die angebotene Leistung preislich konkurrenzfähig ist.
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Störfaktor 2: Falsch ausgewiesener Leistungsanteil q
Zu den abnormalen Steuerungsfaktoren gehört auch der Leistungsanteil q. Ich habe mit Erstaunen zur Kenntnis genommen, dass einzelne Anbieter wohl die gesamte Architektenleistung anbieten, aber nur einen Faktor von vielleicht 70% in die Kalkulation einsetzen statt der an und für sich gerechtfertigten 100%. Einzelne Teilphasen werden schlicht nicht verrechnet, beispielsweise die gestalterische Leitung. Auch bei der Teilphase der Ausführungspläne werden mitunter erhebliche Reduktionen vorgenommen. Ich kann mir diese Reduktion nur so erklären, dass die kalkulierenden Anbieter davon ausgehen, dass sie die weggelassenen Tätigkeiten zeitlich kaum belasten. Die gestalterische Leitung machen sie offenbar während der normalen Bauleitung praktisch mit links, und bei den Ausführungsplänen gehen sie anscheinend davon aus, dass deren Erstellung mit den heutigen CAD-Hilfsmitteln fast ohne Aufwand möglich ist.
Die Praxis der Reduktion des Leistungsanteils q scheint insbesondere bei Einfamilienhäusern eine gewisse Verbreitung gefunden zu haben, nicht aber bei grösseren Projekten. Zu tief ausgewiesene Leistungsanteile q haben die gleiche Wirkung wie ein Rabatt. Ein verrechneter Leistungsanteil q von 70% entspricht einem Rabatt von 30%, sofern die gesamten Leistungen gemäss Leistungstabelle (Art. 7.7 SIA 102; 2014) erbracht werden (also auch die gestalterische Leitung und die Ausführungspläne, wie oben im Beispiel ausgeführt).
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Störfaktor 3: Falsch berechnete aufwandbestimmende Baukosten B
Eine sehr bizarre Möglichkeit der Beeinflussung der Honorarhöhe (in diesem Falle aber nach oben) ist eine unorthodoxe Definition der aufwandbestimmenden Baukosten. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, welche Kniffe hier in (seltenen) Einzelfällen praktiziert werden. Ich musste schon feststellen, dass die gesamten Anlagekosten (ohne Land) als aufwandbestimmend eingestuft worden sind. Dies ist eindeutig falsch, wie man im Abschnitt über den Faktor B (aufwandbestimmende Baukosten) nachlesen kann (Seite 56 f.). Mindestens die Honorare und die Baunebenkosten sind nicht aufwandbestimmend.
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Leseprobe J:
«Verpönter Bonus»
Der Bonus hat in der Wirtschaft einen schlechten Ruf. Das Wort Bonus ist teilweise fast zu einem Schimpfwort geworden. Es steht für schamlose Bereicherung, etwa von Managern und Bankern. Bonusjäger gelten als Abzocker. Man vermutet, dass die exzessive Gier nach dem Bonus in der Zeit um 2008 wesentlich zum Ausbruch der letzten grossen Finanzkrise beigetragen hat.
In vielen Sektoren des Dienstleistungsgewerbes und insbesondere bei den klassischen freien Berufen ist der Bonus kaum bekannt. Ein Arzt, der im üblichen einfachen Auftrag für seinen Patienten tätig ist, gibt zwar in der Regel sein Bestes, aber der Patient hat keine Erfolgsgarantie. Er kann nicht davon ausgehen, wieder gesund zu werden. Es wäre verpönt, wenn der Arzt seine Bemühungen daran koppeln würde, im Erfolgsfall einen Bonus zu bekommen.
Auch ein Bergführer bekommt keinen Gipfelbonus, wenn er seinen Gast auf den Berg bringt. Er riskiert unter Umständen sein Leben, um seinem Kunden den Gipfelerfolg zu ermöglichen, aber eine Garantie gibt es nicht. Der Bergführerlohn ist auch dann zu bezahlen, wenn das Matterhorn nicht erreicht wird. Meist liegt es nämlich ausserhalb des Einflussbereichs des Bergführers, ob das Bergvorhaben gelingt. Sehr oft spielt das Wetter nicht mit, oder die Kondition des Kunden reicht nicht aus.
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Unterschiedliche Wertschätzung des Bonus im Bauwesen
Im Bauwesen geht es um viel Geld. Es wäre daher naheliegend, dass die Leistungen der zentralen Dienstleister, nämlich der Architekten, mit einem finanziellen Bonus gekoppelt wären. Dazu findet man aber kaum Spuren. Die Honorarordnungen des SIA zeichnen sich seit Urzeiten dadurch aus, dass darauf verzichtet wird, den Beauftragten für wirtschaftliches Handeln besonders zu belohnen. Eine Bonuskomponente könnte darin bestehen, dass das Honorar ansteigt, wenn die Baukosten sinken (wie immer man dies auch messen will). Dieser Mechanismus ist jedoch in der vorherrschenden Honorarberechnung nach den aufwandbestimmenden Baukosten (Art. 7 SIA 102; 2014) nicht vorgesehen.
Mit viel gutem Willen könnte man allenfalls den Honorarfaktor s (Faktor für Sonderleistungen) heranziehen (Art 7.10 SIA 102; Ausgabe 2014; Seite 68 ff.). Das Honorar kann anhand des Faktors s unter anderem dann erhöht werden, wenn durch die Tätigkeit des Architekten der Bauherr «grosse wirtschaftliche Vorteile» erfährt. Die Formulierungen sind aber so vage gehalten, dass man kaum ernsthaft von einer Bonusregelung sprechen kann.
Es gibt allerdings ausserhalb der traditionellen Form der Bauausführung (Bauleitung durch den Architekten) ein anderes wichtiges Realisierungsmodell, bei dem der Bonusgedanke ausgeprägt ist. Wir sprechen vom Generalunternehmergeschäft. Das weit verbreitete Preisbestimmungsmodell der offenen Abrechnung mit Kostendach lebt vom Bonus. Wenn der Generalunternehmer den vereinbarten Kostendachbetrag unterschreiten kann, profitieren beide Seiten davon: Besteller und Generalunternehmer. – Sogar der SIA hat mit dem Kostengarantievertrag SIA ein neueres Realisierungsmodell im Angebot, das den Bonus kennt. Näheres dazu in: «Mit wem baue ich?» (siehe Anhang), Seite 248 ff. (offene Abrechnung mit Kostendach) und Seite 397 ff. (Kostengarantievertrag SIA).
Gemäss meinen Erfahrungen wären viele Bauherren grundsätzlich an einem Modell interessiert, dass die Architekten verstärkt zu wirtschaftlichem Handeln motiviert. Oft handelt es sich dabei um Personen, die in ihrer eigenen beruflichen Tätigkeit mit dem Bonusgedanken zu tun haben (Verkäufer, Manager etc.). Im Unterschied zu vielen anderen auftragsrechtlich tätigen freien Berufen (Ärzte, Bergführer etc.) spielt die Wirtschaftlichkeit in der Bauplanung nämlich eine zentrale Rolle.
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Fehlender Mustervertrag
Angesichts der Attraktivität des Bonusgedankens findet man in Planerverträgen gelegentlich selbst konstruierte Bonusmodelle, die aber nicht immer glücklich aufgebaut sind. Das Problem ist nämlich, dass es für dieses Modell keine Vorlagen gibt: keinen Mustervertrag, keine SIA-Norm, keine SIA-Unterstützung, rein gar nichts. Man bewegt sich sozusagen in freier Wildbahn. Man hört darum häufig (nicht zu Unrecht), dass nicht sachkundige Bauherren besser die Finger von diesem Konzept lassen sollten.
Für sachkundige (oder sachkundig beratene) Bauherren jedoch ist das Bonussystem ein sehr effizientes Mittel, mit dem sich die Baukosten in erheblichem Ausmass beeinflussen lassen. Persönlich habe ich damit ausgesprochen gute Erfahrungen gemacht. Richtig angewendet, wird es nicht nur vom Auftraggeber, sondern auch von den beauftragten Planern geschätzt.