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Dieser Sammelbeitrag enthält drei kurze Fundstücke, die aus meinem Buch «Günstiger bauen» stammen. Weitere Informationen zum Buch sind am Schluss dieses Beitrags zu finden.
- Beitrag A: Ein Bau ist kein Prototyp
- Beitrag B: Vorsicht vor Innovationen
- Beitrag C: Projektleiter, Gesamtleiter, Gesamtprojektleiter
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Beitrag A: Ein Bau ist kein Prototyp
Wie oft hat man diese Aussage schon gehört: «Ein Bau ist halt ein Prototyp». Oft dient sie als Entschuldigung dafür, wenn auf dem Bau etwas nicht rund läuft, wenn Kosten überschritten und Termine nicht eingehalten werden.
Im Grunde will man mit dem Argument des Prototyps aussagen, dass sich beim Bauen nicht alles planen lasse. Aus meiner Sicht trifft dies aber nur in geringem Ausmass zu. Wahre Prototypen sind sehr selten. Die Elbphilharmonie in Hamburg dürfte beispielsweise als Prototyp zu betrachten sein. Wie es typisch ist für einen Prototyp, sind darum auch die Kosten im Voraus nur schwer kalkulierbar.
Aber bei einem normalen Standardprojekt wie etwa einer Wohnsiedlung oder einem Geschäftshaus ist nur ein kleiner Teil nicht völlig planbar. Dazu gehören etwa Baumassnahmen im Zusammenhang mit dem Baugrund oder Unwägbarkeiten hinsichtlich des Wetters. Auch bei Umbauten und Sanierungen ist in aller Regel mit Überraschungen zu rechnen.
Das meiste beim Bauen jedoch ist vollumfänglich planbar und somit kontrollierbar. Folglich handelt es sich bei einem baulichen Projekt auch nicht um einen Prototyp. Man könnte eher von einer Variantenkonstruktion sprechen. Dieser Begriff stammt aus dem Maschinen- und Anlagenbau. Kaum eine Maschine ist genau gleich wie die andere. Unter dem Stichwort «Losgrösse 1» ist jede genau auf die Bedürfnisse des Kunden konfiguriert. Dies kann sowohl bei Produktionsmaschinen der Fall sein (Fräsmaschinen, Montageroboter etc.), aber auch bei Konsumgütern wie einem Auto. Eine Variantenkonstruktion ist somit vielfach ein Unikat – aber kein Prototyp.
Auch ein übliches Bauprojekt weist «Losgrösse 1» auf. Es ist daher zweifellos ein Unikat, aber kein Prototyp.
Textgeschichte
Dieser Text ist die leicht bearbeitete Fassung einer Kolumne, die im April 2014 in der Zeitschrift «intelligent bauen» (Fachkom GmbH, Langnau a.A.) erschienen ist (Seite 72). Die Kolumne greift einen Gedanken aus meinem Buch «Günstiger bauen» aus dem Jahr 1999 auf (Absatz «Irrtum 4: Ein Bau ist ein Prototyp». Seite 27).
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Beitrag B: Vorsicht vor Innovationen
Bauen ist keine Wissenschaft, bei der man auf technischem Gebiet zu innovativ sein sollte. Ich persönlich wende lieber eine Technik an, die sich seit 100 Jahren bewährt hat (und zwar in unseren Breitengraden und unserem Klima), als eine bahnbrechende Erfindung. Zu oft sind mit Innnovationen Bauschäden produziert worden.
Ein bekanntes historisches Beispiel sind Fassaden aus Corten-Stahl. Nach Theorie hätte sich an der Oberfläche nur eine leichte Rostschicht bilden sollen. Im amerikanischen Wüstenklima hat dies problemlos funktioniert. Im feuchten schweizerischen Klima jedoch sind die Fassaden gleich durchgerostet und haben sich schlicht in Nichts aufgelöst. (Allerdings erst nach der Garantiefrist).
Es gibt noch viele andere Beispiel von innovativen Flops: einbetonierte Sanitärleitungen aus den sechziger Jahren, so genannte dauer-elastische Kittfugen aus den siebziger Jahren, gewisse Typen von verputzten Aussenisolationen aus den achtziger Jahren und weitere mehr.
Bauen zeichnet sich dadurch aus, dass Materialien Jahrzehnte halten müssen. Diese Dauerhaftigkeit kann aber nicht so einfach getestet werden. Es ist anders als bei einem Auto: Hier sind vor der Markteinführung Dauertests unter verschiedensten Bedingungen möglich.
Bei Gebäuden wird daher das Testen von neuen Materialien mindestens zu einem Teil den Bauherren überlassen.
Textgeschichte
Dieser Beitrag basiert auf einem Text in meinem Buch «Günstiger bauen» aus dem Jahr 1999 (Absatz «Irrtum 8: Wir brauchen Innovationen»; Seite 29).
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Beitrag C: Projektleiter, Gesamtleiter, Gesamtprojektleiter
In der ganzen Wirtschaft wird der Koordinator oder Verantwortliche eines Projektes als Projektleiter bezeichnet. Grössere und kleinere Projekte, sei es bei der Entwicklung eines neuen Industrieprodukts oder eines Computerprogramms, haben demnach ihren Projektleiter.
Die Bauplanungsbranche ist in dieser Hinsicht ein Sonderfall. Die Bezeichnung Projektleiter ist hier nicht so verbreitet. Man spricht vielmehr vom Gesamtleiter, einem Begriff, der vom SIA geprägt ist.
Gesamtleiter nach SIA
Der Gesamtleiter ist der wichtigste Gesprächspartner der Bauherrschaft. Mit Ausnahme von untergeordneten Informationen soll der gesamte Informationsfluss zwischen Bauherrschaft und Planern über ihn laufen. Er hat die Oberaufsicht über den gesamten Projektablauf. Er steuert nicht nur die Tätigkeit des Architekturbüros, sondern koordiniert sämtliche beteiligte Planer (Bauingenieur, Gebäudetechnikplaner und weitere Fachplaner). Seine Aufgaben sind in der Familie der SIA-Honorarordnungen 102 ff. in den Grundzügen festgelegt. Man sollte sich durch den Begriff des Gesamtleiters aber nicht verwirren lassen: Er ist nichts anderes als der Projektleiter für die Bauplanung.
Gesamtprojektleiter in der Generalunternehmerbranche
Um die Begriffsverwirrung etwas weiter zu treiben, kann angefügt werden, dass es auch noch Begriff des Gesamtprojektleiters gibt. Er wird beispielsweise vielerorts in der Generalunternehmerbranche verwendet. Der oberste Projektverantwortliche des Generalunternehmers ist der Gesamtprojektleiter. Es gibt somit einen wichtigen Unterschied zum Gesamtleiter nach SIA-Definition. Der SIA-Gesamtleiter steuert die Tätigkeit von Bauplanern, welche in juristischer Hinsicht als Beauftragte zu betrachten sind. Der Generalunternehmer jedoch ist ein Werkunternehmer. Er ist im Werkvertrag für einen Besteller (Bauherrn) tätig, und sein Projektleiter (eben der Gesamtprojektleiter) ist für eine Werkvertragsleitung verantwortlich. In dieser Leistung können auch Planerleistungen enthalten sein.
Heute ist es fast der Normalfall, dass der Generalunternehmer auch für die Ausführungsplanung verantwortlich ist. Er bezeichnet sich darum oft als Totalunternehmer. Der Leiter des Planerteams für die Ausführungsplanung, nach SIA-Definition der «Gesamtleiter», ist somit ein Unterstellter des Gesamtprojektleiters nach Auffassung der Generalunternehmer.
Gesamtprojektleiter bei Bauherrenorganisationen
Auch Bauherren benutzen oft den Begriff des Gesamtprojektleiters. Er hat hier aber einen anderen Sinn. Der Gesamtprojektleiter des Bauherrn ist der Chef der projektbezogenen Bauherrenorganisation. Er ist nicht nur der direkte Ansprechpartner für die Bauplaner (koordiniert durch den Gesamtleiter nach SIA-Definition), sondern koordiniert auch die Tätigkeit der bauherrenseitigen Nutzer- und Betreiberorganisation. Er ist also auf Bauherrenseite zuständig für Bauplanung, Nutzung und Betrieb.
Semantische Schlussbetrachtung
Ein unbefangener Beobachter der Baubranche wird möglicherweise vermuten, dass es sich bei der semantischen Neuschöpfung des «Gesamtprojektleiters» um eine Kreuzung zwischen einem «Projektleiter» und einem «Gesamtleiter» handelt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Im Grund genommen sind alles nur schlichte Projektleiter, allerdings mit je einem eigenen Aufgabenbereich. Der bauherrenseitige «Gesamtprojektleiter» koordiniert die Bauherrenaspekte, der generalunternehmerseitige «Gesamtprojektleiter» koordiniert die Leistungen des Generalunternehmers und der «Gesamtleiter nach SIA» koordiniert die Bauplanung.
Textgeschichte
Dieser Beitrag basiert auf einem Text in meinem Buch «Günstiger bauen» aus dem Jahr 1999 (Absatz «Der Projektleiter»; Seite 97).
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Einige Informationen zu meinem Buch «Günstiger bauen» (digitale Neuausgabe 2019)
«Günstiger bauen» ist ein umfassendes Sachbuch zu Bauherrenfragen von Hans Röthlisberger. Es ist 2019, also 20 Jahre nach der Erstpublikation, aktualisiert und in digitaler Form neu herausgegeben worden.
Das komplette Buch «Günstiger bauen» samt Aktualisierung von 2019 ist auf einem separaten Internetauftritt verfügbar:
buch-guenstiger-bauen.com.
Zur vollständigen digitalen Fassung von 2019 >>>
Da es nicht so einfach ist, sich in der grossen Datenmenge der digitalen Fassung von «Günstiger bauen» zurechtzufinden, habe ich eine Art Gebrauchsanleitung verfasst. Die Lektüre der Lesehilfe dauert rund 15 Minuten. Nach dieser Vorbereitung sollte für die Leserschaft klar sein, was für sie interessant ist und wo sie die gesuchten Informationen findet.
Zur Lesehilfe –> Buch «Günstiger bauen» – Inspirationen für schlaue Bauwillige >>>
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Geschichte dieses Blogbeitrags
Der vorliegende Blogbeitrag «Fundstücke aus Buch ‚Günstiger bauen’» ist ein Sammelbeitrag von drei Texten, die zunächst eigenständige Blogbeiträge gewesen sind.
- Beitrag A: Ein Bau ist kein Prototyp -> publiziert 26. Februar 2018
- Beitrag B: Vorsicht vor Innovationen -> publiziert 27. Februar 2018
- Beitrag C: Projektleiter, Gesamtleiter, Gesamtprojektleiter -> publiziert 27. Februar 2018
Publikationsdatum des Sammelbeitrags: 7. Februar 2020
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Dieser Blog enthält Dutzende von Fachbeiträgen, die sich primär an Bauherrschaften richten. Sie sind gegliedert nach Sachgebieten. Die beiden wichtigsten Themenbereiche sind «Honorarfragen» und «Bauen mit einem Architekten». Benutzen Sie das Menu, um zu der Fragenkategorie zu gelangen, die Sie besonders interessiert. – Hans Röthlisberger, Bauherrenberater, Gwatt (Thun) / Schweiz